Gustav Krug
Foto: B. Seifert, Sandersdorf |
Der ehrenamtliche Chronist Gustav Krug erhält am 06. Mai 1929 von der Gemeinde Sandersdorf ein zinsloses Darlehen für 1 Jahr. Dies ermöglicht ihm die Herausgabe seiner Chronik von Sandersdorf. |
Für die Veröffentlichung der von Gustav Krug im Jahr 1928 verfassten Chronik von Sandersdorf geben im Jahr 2007 ihre freundliche Einwilligung E. Schiemens (geb. Krug) und B. Seifert. |
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CHRONIK von Sandersdorf (Kr. Bitterfeld) Von Gustav Krug, Sandersdorf 1929 ————— Druck von Wilhelm Lauffs, Holzweissig - Bitterfeld Abschrift |
Einführung.Sandersdorf (Kreis Bitterfeld) liegt an der Eisenbahnstrecke
Bitterfeld–Stumsdorf, sowie an der Kreischaussee "Bitterfeld–Zörbig"
und 4 km westlich von Bitterfeld. Sandersdorf ist bekannt durch seine großen
Kohlenlager und seine Braunkohlengruben. Das Gelände ist sandig und flach.
Bodenerhebungen fehlen ganz. Gering ist daher auch der Ertrag der sandigen Aecker.
Gegen Westen zwischen Sandersdorf und Heideloh befindet sich der Stakendorfer
Busch. In dieses Gelände hinein wurde 1842 die erste Braunkohlengrube "Richard"
gelegt. Mit der Eröffnung des Bergbaues wurde aus diesem kleinen, Landwirtschaft
treibenden Ort ein großer Industrieort. Der "Alte" mit seinen kaum 300 zählenden
Einwohnern im Jahre 1842, ist heute auf 4500 Einwohner angewachsen. Wo soviel
Neues erscheint, und das Alte beiseite drängt, habe ich es für meine Pflicht
gehalten, wenigstens den Alten der Vergangenheit ein Andenken zu bewahren.
Leider ist aber über Sandersdorf in alten Akten oder Büchern sehr wenig zu
finden, da bei einem Pfarrbrand am 19. Oktober 1718 sehr viel alte Akten mit
verbrannt sind. Trotzdem ist es mir gelungen, das wenige, was noch über
Sandersdorf aus den vergangenen Jahrhunderten vorhanden ist, mühsam zusammen
zu tragen. |
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Bauerndorf, so war es auch in den früheren Jahrhunderten ein kleines abseits der großen Heerstraße gelegenes Bauerndorf. So vollzogen sich die großen Ereignisse der Geschichte außerhalb unserer Gegend. Aber doch blieb Sandersdorf von den geschichtlichen Vorgängen nicht unberührt. In irgend einer Weise wirkten sie ja doch auf die stillen Bauerndörfer zurück. Und gerade darin liegt der Reiz, daß wir sehen, wie sich all diese Ereignisse, die wir teilweise auch aus der Geschichte kennen, auf den letzten Winkel dieser kleinen Dörfer auswirkte. Die geschichtliche Zeit, die in unserer Gegend etwa um 560 beginnt, führt uns bis zu den Sorbensiedlungen und dem ersten Vorstoß des Deutschtums in die Muldengegend. Die erste Urkunde von Sandersdorf selbst berichtet aus dem Jahre 1373. II. Die vorgeschichtliche ZeitDie ältesten Spuren der Anwesenheit von Menschen festzustellen, ist immer
interessant. Die geologischen Vorgänge unserer Erdoberfläche, die Kohlenlager
mit ihren oberen Sand- und Kiesschichten, können nur in kurzen Zeiträumen
entstanden sein. Und doch ist es der menschlichen Lebenszeit nach angemessen
eine recht lange Zeit, wenn wir die vorhandenen Spuren um etwa 4000 Jahre oder
noch mehr zurückverfolgen können. Nur wenig Spuren sind uns von unseren Ahnen
erhalten. Steinkistengräber, Urnenfelder oder Grabstätten, die sorgfältig in der
Erde gebettet, Jahrtausende gelegen haben, geben uns Aufklärung über all das
Gewesene. Leider sind es nur wenige solcher Reste, die Licht in das Dunkel der
schriftlosen Vergangenheit bringen. Deshalb muß jeder Fund sorgfältig
aufgenommen und behandelt werden, damit wir von dem Wenigen nicht noch mehr
verlieren. |
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Roitzschgen 1909 eine henkellose Urne mit Leichenbrand, 3000 Jahre alt. III. Aeltere Steinzeit.Das erste Auftreten des Menschen in Deutschland fällt in die Eiszeit. In eine Zeit, wo Rentier, Nashorn, Mammut und andere längst ausgestorbene oder nach dem Norden gezogene Tiere unsere Heimat bewohnten. Aus Feuerstein fertigte man feine Waffen und Werkzeuge, Untere engere Heimat hat bisher keine Funde aus dieser Zeit aufzuweisen. Nur hei Holzweißig (Grube Leopold) wurden Knochen von Mammut, Nashorn und Riesenhirsch, im eiszeitlichen Abraum über der Braunkohle gefunden. Die Eiszeit und somit die Steinzeit fällt in die Zeit des Quartus (Quartärzeit), in der unsere ganze menschliche Geschichtsüberlieferung steckt und in der wir gegenwärtig noch leben. Die Tertiärzeit (Tertius) vor der Quartärzeit füllte unser Europa mit einem Tropenklima aus, wie es heute in Afrika der Fall ist. IV. Jüngere Steinzeit (4000–2000 v. Chr.)Die ersten früheren Spuren des Menschen bei uns stammen aus der jüngeren Steinzeit. Dieses beweist der |
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der Fund eines großen Scherbenstück eines Gefäßes bei Groß-Möhlau 1925. V. Bronzezeit (2000 v. Chr.)Als erstes Metall war in Deutfchland Kupfer bekannt. Sehr bald aber versteht man das weiche Kupfer durch einen Zusatz von Zink zu härten. Diese Mischung ist die Bronze. Die Bronzezeit reicht von etwa 2000 bis 800 v. Chr. und wird in 3 Perioden eingeteilt. Aus der ersten Periode (2000–1700 v. Chr.) fehlen Funde in unserer Gegend vollständig. Aus der zweiten Periode (1700–1400 v. Chr.) gilt als einziger Fund eine Bronzenadel von Burgkemnitz. Die eigentliche Besiedelung setzt erst in der dritten Periode ein (1400–1200 v. Chr.). Aus der Lausitz dringen Menschen über die Elbe vor, Illyrier genannt, die an ihren Tonwaren mit spitzer Buckelverzierung (gefunden wurden Gegenstände bei Pouch) erkenntlich sind. – Während der vierten Periode (1200–1000 v. Chr.) ist diese lausitzer Kultur in unserer engeren Heimat nur in Großmöhlau und Mescheide vorhanden. Aus der fünften Periode 1000–800 v. Chr.) sind einige Funde bei Gräfenhainichen und Mescheide zu verzeichnen. Das Klima während der Bronzezeit soll erheblich wärmer als heute gewesen sein. Es war eine Trockenzeit, die mehr als 1000 Jahre dauerte. Infolgedessen war das Waldgebiet zwischen Saale und Elbe nicht so ausgedehnt wie heute. Die Menschen der Bronzezeit bei uns lebten von |
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Ackerbau und Viehzucht, wie schon die Steinzeitleute taten. Der Hafer wird jetzt als neues Getreide angebaut. VI. Eisenzeit (800 v. Chr. bis Chr.. Geb.)
Mit Beginn der Eisenzeit setzt ein kühleres, feuchteres Klima ein. Das Eisen
findet Eingang in Deutschland und löst die Bronze ab. Die Eisenzeit wird in zwei
Abschnitte eingeteilt, eine ältere 1000–400 v. Chr. (Hallstattzeit) und
eine jüngere (400 v. Chr. bis Chr. Geburt) (Latènzeit). In unserer Heimat,
in der in der früheren Zeit bei uns die Illyrier saßen, zogen nun auch die
Germanen von Anhalt her ein, die, wie es scheint durch Kämpfe die Illyrier
verdrängten. Kennzeichen der anrückenden Germanen sind Hausurnen und
Steinkistengräber. Von letzteren wurden 1890 und 1900 einige Gräber bei Golpa
gefunden. VII. Frühgeschichtliches.
Sandersdorf wird zum ersten Male in den Urkunden des Klosters zu Brehna 1373
erwähnt. Von da an ist also unser Ort, sowie die meisten anderen der näheren
Umgebung, geschichtlich bezeugt. Von da an können wir für unseren Ort die
geschichtliche Zeit rechnen. Was vorher geschah, kann nur aus Vorgängen
erschlossen werden, die sich auf beiden Seiten der Mulde abgespielt haben und
über die eine genaue geschichtliche Kenntnis vorhanden ist. |
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bis an die Saale in Besitz, die nun bis ums Jahr 800 zum Grenzfluß von
Germanen und Slaven wurde. |
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Priester der Deutschen nicht gerade freudig begrüßt. Allerdings war die Kultur
der Sorben damals eine weit niedrigere als der Deutschen. |
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Die Klage der bisherigen Bevölkerung, die hier Pribislaw ausspricht, mag
vielerorts berechtigt sein. Aber durch die Besiedelung des Landes durch die
Deutschen war ein ungeheurer Fortschritt zu verzeichnen. Die Kultur des
Landes wurde auf eine ganz besondere Höhe gebracht. Und erst seit dieser
Zeit kann man die alte Sorbengegend unsere engere Heimat, als deutsches Land
ansprechen. |
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mehr verblassen und um so schwieriger festzustellen sind, je länger der Weg
ist, auf dem sie zu uns kamen. VIII. Chronik.
Wie schon einmal gesagt worden ist, sind die wichtigsten Akten und Urkunden,
die zur Aufstellung einer Chronik benötigt würden, bei einem Pfarrbrand am
19. Oktober 1718 vernichtet worden. Aber ich glaube, daß es mir doch gelungen
ist, fast alles noch Vorhandene zusammenzutragen. Diese Chronik ist
zusammengestellt aus alten Kirchenakten sowie aus alten Familienakten und
folgenden Werken: |
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Sandersdorf (Alixanderisdorf)
ist gegründet von fränkischen Bauern etwa um 1110 bis 1160. Seit 1531 ist es
freies Amtsdorf, bis dahin gehörte es zum Kloster Brehna. Die Flur von
Sandersdorf raint nach Norden mit Thalheim, nach Osten mit Bitterfeld, nach
Süden mit Zscherndorf, gegen Westen mit Heideloh und Ramsin. Dazwischen liegen
die "wüsten" von noch vor und während des 30jährigen Krieges untergegangenen
Ortschaften: nördlich Kolpin, westlich Stakendorf und Krondorf oder Krottendorf,
südlich Odeley und Eckeln; Sandersdorf ist ein altes Pfarrdorf,
wozu bis 1575 noch Zscherndorf, Stakendorf, Greppin, Reuden, Thalheim und Wolfen
gehörte. Bei der eingehenden Visitation i. J. 1555 wird die Sandersdorfer Parochie
beschrieben: Sandersdorff und seine Filial Tscherndorf, Stakendorff, Kreppin,
Reuden, Thalheim, Wolfen. Sandersdorf wird verkauft.Am 2. Juli 1373 traten die beiden Brüder Rudolf und Heinrich von Zwochau auf Zschernitz dem Kloster |
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zu Brehna die beiden Dörfer Kolpin und Sandersdorf für 30 Schock neue Kreuziger
Groschen ab. |
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Güter überlassen. Würde aber E. F. G. erkennen, daß wir solche Güter nicht haben
sollen, so wollen wir armen Jungfrauen uns damit zufrieden geben. |
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Der Bitterfelder Amtsmann Heinrich erhob sofort Einspruch, worauf der Kurfürst
am 14. Oktober 1525 die "Fronstätte" durch den Bitterfelder Amtsmann abbrechen
ließ und dem Kloster verbot weitere Blutgerichte auszuüben. Zscherndorf wurde ebenfalls wie Sandersdorf an das Kloster zu Brehna verkauft
wie folgendes Schriftstück besagt: |
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Der Bauernkrieg.Das Jahr 1525 war außerordentlich unruhig. Die Wogen des Bauernkrieges drangen auch über die Grenzen Thüringens hinaus. Ist es auch nicht überall zu offenem Aufruhr gekommen, so war doch die Furcht vor diesem bei allen Grundbesitzern groß. Der Haß der geknechteten Bauern ließ das Schlimmste befürchten. Nicht einmal die Klöster und Kirchen waren vor ihnen sicher. Die Achtung, die man im Mittelalter vor den Insassen der Klöster gehegt hatte, war lange dahin geschwunden und vielfach in das Gegenteil verkehrt. Man sah in ihnen meist nur Tagediebe und Faulenzer. Auch in unterer Gegend gingen die Wogen der Erregung hoch. Am 10. Februar 1526 wandte sich der Rat des Klosters an den Kurfürsten. Er klagte "wie sich nächstvergangen zwischen Pfingsten und Ostern an etliche Orte Aufruhr begeben" und bat um Schutz, der dem Kloster später auch in vollem Maße gewährt wurde. Die Reformation.Die Reformation in der Parochie Sandersdorf.
Seit 1539 durchzogen diese "von dem Kurfürsten Johann den Beständigen
eingesetzten Visitationskommissionen" das Land. Zum ersten Male kam eine solche
in den Bitterfelder Bezirk im Jahre 1531. In Bitterfeld leitete 1531 der
Wittenberger Probst und Rektor der Universität Jonas die Verhandlungen, ihm zur
Seite stand ein Jurist, der kurfürstliche Rat Johann von Taubenheym, Herr von
Steinlausigk und Pöplitz und der Amtmann zu Bitterfeld. |
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allmählichen Auflösung bestimmt, womit besagtes Recht von selbst aufhörte und
diese Klosterdörfer zu Amtsdörfern sich umwandelten. |
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Hansen Schilling, Thalheim ist Hansen Zandierers, hat 36 wirt, 6 Hufner. Dem Hussitenkrieg 1419–1436fielen eine ganze Anzahl Elbe- und Muldedörfer anheim und wurden zerstört. 1446–1451 bekriegten sich die Brüder Herzog Wilhelm und Kurfürst Friedrich von Sachsen. Die Leute auf den Dörfern fühlten sich in ihren ungeschützten, einsamen Weilern nicht mehr sicher und verzogen sich hinter die schützenden Stadtmauern. So kam es, daß all die kleinen Orte in der Nähe einer Stadt verschwanden und ihre Gemarkungen zur Stadtflur kamen. Auch unsere Gegend wurde in dieser Zeit arg mitgenommen, und Städte und Dörfer zugrunde gerichtet, in diese Zeit fällt sehr wahrscheinlich der Untergang der Dörfer bei Sandersdorf und Zscherndorf: Eckeln, Gräfendorf, Hungersdorf, Kolpin, Kronendorf, Odeley, Predel?, Ramsin und Stakendorf, von welchem nur die beiden letzten, wie auch die beiden etwas entfernter liegenden Orte |
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Wolfen und Zschepkau, um 1555 wieder aufgebaut und besetzt worden sind. Von der
2. Zerstörung im 30jährigen Kriege konnte sich Stakendorf jedoch nicht wieder
aufrichten, da auch die Bewohner verschollen blieben. Dr. Martin Luther als Gönner des erden evangelischen Pfarrers zu Sandersdorf mit Zscherndorf.
Luther und Johannes Bugenhagen legten 1536, anfangs Juli beim Landesherrn
Kurfürst Johann Friedrich eine Fürbitte ein um "Besserung der Pfarrgüter" zu
Sandersdorf im Amt Bitterfeld. Nach ihrer und des Sandersdorfer Pfarrers Mathäus
Steigener Vorstellung beschloß der Kurfürst, daß die zwei zur Pfarrei gehörigen
wüsten Hofstätten zwei redlichen Bauern mit je 2 Hufen, deren die Pfarre 7
innehatte, zum ordentlichen Anbau ausgetan werden sollten, wofür diese dem
Pfarrer jährlich 2 Scheffel Korn, 6 1/2 Groschen Zinsen und 4 tägige Fron zu
verwilligen hatten. Laut Verfügung vom Tage Margarete, den 13. Juli 1536 an den
Amtmann zu Bitterfeld. Der 30 jährige Krieg 1618–1648.Daß fast alle unsere Dörfer während des Krieges schwer gelitten haben, dürfte bekannt sein. Nach alten |
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Urkunden und Kirchenrechnungen zu urteilen, geht allerdings das Leben bis 1637
seinen gewohnten Gang. Man merkt fast nichts von Rückwirkungen der Schlacht in
unserer Nähe, an der Dessauer Elbbrücke 1626 oder der Schlacht von Breitenfeld
1631, vor der sich die Heere von Schweden und Sachsen in Düben trafen, oder bei
Lützen 1632. Nachdem der schwedische Feldherr Banér sich aus Sachsen und Pommern
zurückgezogen, wohin ihm die vereinigten kaiserlichen und sächsischen Truppen
gefolgt waren, war ganz Sachsenland von Räubern und Freischützen angefüllt.
Auch in der hiesigen Gegend hausten solche Banden, in den dichten Wäldern
sicheres Versteck findend. Eine dieser Horden hatte sich hinter der zwischen dem
Dorfe Niemegk und der Mulde in der Saulage gelegenen Leiseringsschanze
festgesetzt und von da aus längere Zeit Raubzüge unternommen, bis endlich
9 Reiter den Befehl erhielten, das Raubnest zu zerstören. Die Soldaten fanden
aber harten Widerstand und mußten die Flucht ergreifen; an der Lachenbrücke
wurden sie jedoch von den sie verfolgenden Räubern eingeholt, umringt und
niedergemacht. |
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3. Lorentz Burckhausens Guth |
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Hand nehmen können; also gar, daß auch ob solcher unmenschlichen Tyrannei und unchristlichen Proceduren, kein einziger Mensch sich in der Stadt mehr aufhalten, sondern wir alle insgesamt, mit Weib und Kind, etliche viele Mal davon fliehen, und in der Fremde, zu 10, 15 und 20 und mehr Wochen aneinander, in Hunger und Kummer, Frost und Kälte uns aufhalten, die Stadt, unter Hab und Gut und ohne das Geringste, Armut, mit dem Rücken ansehn und alles zu Raub, Plünderung und Brand hinter uns lassen müssen. Und geruhen Ew. Hochfürstl. Durchlaucht gnädigst, nachfolgende Specialien, wie mit uns armen Leuten, in den über uns ergangenen vielen Plünderungen, umgegangen in Gnaden zu erwegen und zu beherzigen : denn erstlich sind nicht allein wir, die Rathspersonen, sondern auch die meisten von der Bürgerschaft, so nicht alsobald davon geflohen, theils bis auf die Hemden, theils aber gar splittersasen nackend ausgezogen, etliche aber mit Prügeln also jämmerlich geschlagen und zugerichtet worden, daß man auch nicht eine heile Stätte an ihrem ganzen Leibe finden können, sondern alles mit Blut unterlaufen, daß es abscheulich und ohne Thränen nicht angesehen werden mögen. Etliche haben sie mit schwedischen Tränken und Einfüllen von Mistfützen und anderen Unflaths in den Leib, theils mit Rütteln der Köpfe, daß die Augen, als Hühnereier groß, herausgetreten, etliche mit Anlegung der Daumstöcke an die Hände und Füße; auch theils mit Zusammenbindung der Finger und folgendes Zusammenrütteln derselben, dermaßen gepeinigt und gequält, daß es einen Stein in der Erde erbarmen möge, und solches einzig und allein um Geld und andere Sachen zu bekommen. Dabei haben sie es aber nicht bleiben lasen, sondern die Bürgermeister und theils Rathspersonen, sind von den schwedischen Völkern gefänglich mit hinweggeführt, teils Bürger gar erschossen worden, auch, nachdem sie etliche Kinder, welche die Eltern zurücklassen müssen und die ihnen in der Flucht nicht folgen können, ergriffen, haben sie Feuer in |
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die Backöfen gemacht, die Kinder davor gestellt, mit Bedrohung, wo sie nicht sagen würden, wo die Eltern das Geld vergraben, daß sie dieselben stracks hinein in das Feuer stecken und dann verbrennen wollten. Theils alten Weibern und Kindern haben sie Stricke um die Hälse geworfen, damit aufgezogen und erhängen wollen. Unsere Häuser sind nicht allein zu Grund ausgeplündert, alles aus den Böden und in Scheuern noch vorhandene wenige Getreide, als unsere Lebensmittel, ganz und gar ausgedroschen, die Betten ausgeschüttelt und samt allen häuslichen Vorrathen an Pferden, Kühen, Schweinen und anderem Vieh, dermaßen hinweggeraubt worden, daß auch in der ganzen Stadt nicht soviel übrig geblieben, davon ein einziger Mensch seinen hungrichen Magen sättigen mögen. Daher viele Rathspersonen und Bürger haben sterben müssen. Die Thüren, Fenster, Ofen und alle anderen Mobilien haben sie zerschmissen und zerschlagen und muthwilligerweise ins Feuer geworfen. Die Bücher der Kirche, der Geistlichen und anderer Leute Bücher haben sie auf Wagen geladen und mit sich hinweggeführt. Und Summa, die Stadt so verderbet, daß einem ein Grausen angekommen und alle Haare gen Berge gestanden, wenn man darein gehen sollen. Und solches alles ist vom Jahre 1636 bis 1641 in den Plünderungen, hintenan gesetzet die dabei mit unterlaufenden schweren Einquartierung also ergangen. Zörbig, den 6. October 1654.
Der Rath zu Zörbig."
Aus diesem Schriftstück ist zu ersehen, wie schwer die Bevölkerung in diesen Jahren unter den im Lande herumziehenden Schweden zu leiden hatte. Ueberall wo Banèr mit seinen Kriegstruppen gewütet hatte, waren Dörfer, Städte und Fluren verwüstet und zerstört. Menschen gemordet, ein Bild des Grauens bot sich dem Auge wohin es blickte. Um dieselbe Zeit, wo die Städte Zörbig, Bitterfeld, Gräfenhainichen usw. verwüstet wurden, ist auch Sandersdorf ein Opfer der Schweden geworden. |
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Das ehemalige Pfarrgericht zu Sandersdorf hatte nur noch 3 Unterthanen, 2 Bauern
und 1 Kosaht, wurde aber trotzdem selbständig verwaltet. Die noch nicht abgelöste
Schutzgebühr betrug von ersteren je 2 Zinshühner und 4,67 Mk. Dienstgeld, von den
Kosahten 1 Mk. Schutzgeld. |
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Später ist der alte Heerweg zur 12 m breiten Landstraße umgebaut. Auf dieser
Straße befanden sich auch einige Schlagbäume sowie Wohnhäuser für den
Chausseegelderheber. Stakendorf wurde 1555 neu erbaut.
Im "Husitten-Krieg" 1419–1436 scheint es schon einmal zerstört worden zu
sein, aber 1555 neu erbaut. 1637 ist es zum zweiten Mal zerstört. Es bestand
damals aus einem Edelhof und 8 Bauerngütern. Stakendorf war nach Sandersdorf
eingepfarrt. |
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Diese wurden von dem Fiskus übernommen, aber im Jahre 1859 abgelöst. Der Schwed' im Land, der Schwed' im Land!
Dieser Vers mag von der gedrückten Bevölkerung wohl sehr oft gebraucht
worden sein. |
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Da das Holz des Brunnens Eiche war, ist es verständlich, daß es sich so lange gehalten hat. Odeley und Eckeln lagen südlich von Sandersdorf.Auch diese zwei Orte sind wahrscheinlich in dem "Husitten-Krieg" genau wie die Orte: Predel, Gräfendorf und Hungersdorf (die zwei letzteren südlich von Zscherndorf) untergegangen. Odeley.
Wüstes Dorf, dessen Marke im nördlichen Teile der Zscherndorfer Gemarkung liegt.
Unter den Gütern des ehemaligen Klosters zu Niemegk bei Bitterfeld, welche nach
Aufhebung des Letzteren 1150 dem Petersberger Kloster überwiesen wurden, befinden
sich laut Schenkungs-Bestätigungsurkunde Markgraf Konrads von Meißen vom
30. November 1156 8 1/2 Hufen in "Odeley". |
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jede Hufe 18 Acker (39 Morgen) gerechnet, auf Hungersdorfer Wüstenmark, die er ihrer weiten Gelegenheit halben für seine Haushaltung nicht weiden konnte, "den Leuten zu Zscherndorff", so sie vorhin laßweise von ihm innegehabt, erblich für Lehn und eigentümlich als an Claus Zscherndorff 1/2 Hufen für 21 Gulden. Michael Lange 1/2 Hufen für 21 Gulden Paul Grube 1 " " 42 " Gregor Fraundorf 1 1/2 " " 63 " Vinzens Lange 3 " " 126 "
1 Gulden == 21 Groschen oder 2 Mark 62 1/2 Pfennig. Zusammen um 273 Gulden
je 21 Groschen an guter Meißnischer Währung; dergestalt, daß diese Hufen weder
von denen zu Renertz (Renneritz) noch von seinen Untertanen zu Ramsin "mit
sollen betrieben noch sonsten mit Gräserei beschweret" werden. Die Käufer und
ihre Nachfolger waren verpflichtet, an Westregel und dessen Besitznachfolger
jährlich auf Martini von jeder Hufe 1 Scheffel Korn und 1 Scheffel Hafer zu
zinsen und endlich in jedem Lehnsfall 21 Groschen. "zu Lehnware zu
geben". Geschehen zu Bitterfeld in gegenwart Walten Schellers Amptschössers
nach Christ unsers liben Herrn und seligmakhers Geburt zum xv. C. 1500 vnd lvij
57 Jahre Freitagk nach laurentij. Zscherndorf.(Czerndorf, Czscherndorff, Tscherndorff, Zschernendorff, Zscherndorff) wurde ebenfalls wie Sandersdorf im Jahre 1637 zerstört und verwüstet. Am 18. November |
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1661 waren noch 13 Bauerngutbesitzer für verschollen erklärt und die Güter
öffentlich verkauft. Pfarrabgaben.
Zscherndorf ist nach Sandersdorf eingepfarrt und hat an die Pfarre zu entrichten
im Jahre 1555 44 1/2 Scheffel Korn, gibt ein itzlicher von
1 Hufen 2 Scheffel, ausgenommen Ulrich Han, der dem Pfarrer nur 1/2 Scheffel
darreicht; ferner 15 Bratwürste und 4 Groschen ungefähres Opfer. Es sollen
u. a. auch die zu Tscherndorff von der Mark "Grevendorff" und "Trudeley"
(Odeley) von jeder Hufe 1 Scheffel Korn geben. |
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Wolfen
gehörte in kirchlichen Beziehungen früher zur Parochie Sandersdorf. Da der
Pfarrbezirk für einen Pfarrer zu groß war, beklagten sich die Orte "Wolfen,
Reuden, Thalheim gelegentlich einer im Jahre 1555 abgehaltenen Kirchenvisitation",
wie der Pfarrer sehr langsam zu ihnen komme, wenn er ihnen das Sakrament reichen
soll. Erst bei der 1575 abgehaltenen Kirchenvisitation ordnete man namens des
Kurfürsten von Sachsen die Teilung der Parochie Sandersdorf an: Greppin,
Stakendorf, Zscherndorf blieben bei Sandersdorf, Reuden aber wurde neuer Pfarrort
mit den Tochterkirchen Thalheim und Wolfen; das erst neuerbaute Zschepkau kam zum
Kirchspiel Reuden. Thalheim.
Bis 1575 war es Tochterkirche von Sandersdorf. Die aus Bruchstein errichtete
Kirche soll um 1200 gebaut sein und in frühester Zeit seinen eigenen Pfarrer
gehabt haben. In der Matrikel der Reudener Pfarrer von 1555 steht wörtlich:
"Auch ist zu Thalheim ein pfar Hufen, welche vorzeitten von andechtigen Leuthen
zur pfar testiert und von Bauern untterschlagen ist, besag einer sehr alten
schrifft. Inn einem pergamenen Meßbuch von 1369". |
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Tochterkirche wieder aufrichten könnten. Man wollte erreichen, daß Thalheim
durch den "Wiederausbau der Kirche Pfarrsitz würde, wozu noch Wolfen und Reuden
kommen sollte. Johann Gottfried SchnabelSchriftsteller und Verfasser der deutschen Robinsonade "Insel Felsenburg", ein Sandersdorfer Pfarrerssohn. Im Pfarrhaus zu Sandersdorf wurde dem Pastor M. Johann Georg Schnabel am 7. November 1692 ein Sohn namens Johann Gottfried geboren, welcher als Schriftsteller der deutschen Literaturgeschichte angehörte und bis etwa 1750 gelebt hat. Sein unter dem Autornamen "Gisander" verfaßtes Hauptwerk ist die berühmte deutsche Robinsonade "Wunderliche Fata einiger See-Fahrer" (Insel Felsenburg), Nordhausen 1731–1743, ein einst vielgelesenes Buch, welches auch zur Jugendlektüre Goethes gehört hat. Seine Mutter, Hedwig Sophie geb. Hammer |
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ist die Tochter von seines Vaters Amtsvorgänger in Sandersdorf, des Pastors
Gottfried Hammer, gewesen. |
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Sandersdorfer Pfarrer mußte bei Ausübung seines Amtes bis an die Knie im Wasser
waten. |
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hinterlassene jüngste Tochter ein unzeitig Hurkind, ein Knäblein, geboren,
welches Tags darauf, abends in der Stille auf dem Kirchhof verscharret wurde.
Dieses böse Mensch war an eben diesem Tage Dom. Jubilate zum heil. Abendmahl,
nachmittags 4 Uhr kriegt sie das Kind in der Stuben ihres Dienstherrn Joh.
Friedrich Voigt, Anspänner allhier in Sandersdorf und da dieser mich abends spät
ersuchte, zu dieser Hure zu kommen, weyl selbiche sehr krank, so verfügte ich
mich dahin und erfuhr mit Entsetzen, daß der Verführer ein Ehemann, namens
Dornack, welcher Bösewicht vor 2 Jahren allhier Nachtwächter gewesen, zu der
Kirmeß aber allhier in der Schenke sich eingefunden dieses Mensch zum
Branntweintrinken forneret und daselbst im Garten Unfug getrieben. Ich habe
sofort an Herrn Superintendenten berichtet und durch den Ortsrichter es der
weltl. Obrigkeit anzeigen lassen, die sich Tags darauf hierher begeben und
durch den Chirurgium besichtigen lassen und gefunden, daß das Kind ungefähr
5 Monate alt und die Aussagen eintreffen. Gott wende die Obrigkkeit zur
Gerechtigkeit und behüte diesen Ort und Gemeinde vor dergleichen Sünde." Der 7jährige Krieg 1756–1763ist auch an Sandersdorf nicht ganz spurlos vorübergegangen, wie folgende Kirchenbuchsnachricht besagt: "Am 30. November 1758 abends 9 Uhr rückten allhier 450 Bäckersknechte und Tragenknechte von der Kgl. Preuß. Armee, welche der Graf von Donah kommandierte, |
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und hinterließen als sie einen Tag. Rast gehalten und von den Einwohnern
beköstigt und mit Fourage versehen 3 Tote zurück, welche mir zur Beerdigung
übergeben werden. Ich habe solche bei itzig lamentoser Zeit und da ich von ihrer
Religion sowohl, als ihrer Bereitung zum Tode nichts erfahren können,
am 3. Dezember vor dem 1. Adventus von den hiesigen Einwohnern auf hiesigem
Kirchhof seitwärts, nachmittags 4 Uhr zur Erde bestatten lassen, jedoch ohne
Geläute und in der Stille. Ihre Namen wurden mir von obgedachten Kommissario
folgendermaßen angegeben : |
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1761. Die Mulde ist übergetreten und hat weit und breit alles überschwemmt. |
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1785 war der Winter so stark, daß die Bauern zu Ostern mit dem Schlitten zur
Kirche fuhren. Der Lohn für einen Maurer oder Zimmermann betrug um diese Zeit
von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends – 7 Groschen. Der Scheffel Korn kostete
2 Taler 4 Groschen, Weizen 3 Taler 2 Groschen. Aus der Kriegszeit 1806– 1815
wo in unserer Gegend das Durchziehen von Militär nicht aufhörte, war während der
vielen Durchzüge die Ruhr ausgebrochen, woran in Zörbig 150 Kinder und Erwachsene
starben. Die Einwohner wollten keine Einquartierung mehr annehmen, ebensowenig
wollten die Soldaten nach Zörbig, weil von einer ganzen Kompanie preuß. Garde,
die von der Ruhr hier angesteckt worden, wenig Leute am Leben blieben. Die Befreiungskriege 1813–1815.Am 17. Februar 1813 kamen die ersten retirierenden Franzosen aus Rußland zurück; das 7. und 10. Kürassier–Regiment, |
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die beide auf 200 Mann zusammengeschmolzen waren, lagen 16 Tage in Zörbig.
Das 7. und 20. franz. Chaffeur-Regiment lag 10 Tage in Zörbig. |
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Kronprinz Karl Johann von Schweden, der frühere französische Marschall Bernadotte
hatte das Oberkommando. Die 2. schlesische Armee, ungefähr 100 000 Mann stark,
bestand aus Preußen und Russen und wurde von dem General von Blücher kommandiert.
Am 3. Oktober rückte Blücher bei Elster über die Elbe nach Düben vor.
Am 9. Oktober räumte Blücher Düben, da Napoleon mit starker Heeresmacht von
Dresden kommend nach Düben vorrückte. Am 10. Oktober zog Napoleon in Düben ein;
mit der Absicht, dem Feldmarschall Blücher einen überraschenden Schlag
beizubringen. Dieser zog sich jedoch bei Annäherung der großen Armee auf das
linke Muldeufer gegen Zörbig zurück. Napoleons Absicht soll gewesen sein,
möglichst Blücher und die Bernadottesche Nordarmee zu vernichten und die
Hauptarmee im ebenen Gelände zwischen Düben und Leipzig zum Hauptkampf zu
erwarten. Nachdem Blücher und Bernadotte in Düben den Entschluß gefaßt hatten,
Napoleon auszuweichen und gemeinsam über die Saale zu gehen und sich bei Halle
aufzustellen, zog die Nordarmee von Raguhn und Jeßnitz kommend nach Zörbig zu
marschierend hier durch unsere Gegend, wo Quartiere auf unseren Nachbardörfern
bezogen wurden. Als Napoleon sah, daß er die Blücherarmee nicht mehr vor sich
hatte und einen Stoß ins Leere gemacht hatte, zog er nach kurzem Aufenthalt in
Düben mit seiner ganzen Armee in Eilmärschen gegen Leipzig. Er war entschlossen,
bei Leipzig den Verbündeten eine entscheidende Schlacht zu liefern. |
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Gedanke war noch nicht mächtig genug. Als Blücher am 5. Oktober 1813 in unsere
sächsische Gegend einzog, erließ er folgenden Befehl an seine Truppen:
"Ich muß sehr bitten, daß die Herrn Korps-Kommandanten mit aller Strenge darauf
achten, daß den Landleuten keine Pferde geraubt oder auch zum Privat-Gebrauch
weggeführt werden." Wie schon einmal gesagt, waren wir für die Preußen hier
Feindesland. Die Revolution 1848.
Die Revolution ist in Sandersdorf sehr ruhig und gemütlich verlaufen. Nach
Bekanntwerden des Aufstandes in Berlin zogen die Arbeiter und Handwerker mit
Trommeln und Pfeifen auf den Dorfplatz. Drei Tage wurde nicht gearbeitet.
Zu Ausschreitungen ist es nicht gekommen. Eine Fahne hatten die Sandersdorfer
noch nicht; aber eine Revolution haben sie sich doch geleistet. Der Ausbruch der Kriege 1864 und 1866wurde von den Sandersdorfer Bürgern mit Ruhe und Gleichgültigkeit aufgenommen. Dagegen soll bei Ausbruch des Krieges 1870–71 mehr Begeisterung gewesen sein, |
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auch sollen sich mehrere Sandersdorfer freiwillig gemeldet haben. |
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1909 landete bei Greppin das erste Luftschiff Zeppelin III. Sandersdorf vor 100 Jahren.
Wie schon einmal gesagt, war Sandersdorf ein kleines unscheinbares Bauerndorf
mit ungefähr 300 Einwohnern, worunter 26 Anspänner, 18 Häusler und 3 Mieter
waren. Der Ort zählte 48 Häuser einschließlich Kirche, Hirten- und Armenhaus.
Es liegt 5 km von Bitterfeld in einer Ebene. Wald befindet sich westlich:
"Der Brand (zum Rittergut Ramsin gehörig) und der Stakendorfer Busch." |
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Mark Gräfendorf (Pomselmark) 190 Morgen groß, ist um 1800 der erste Kohlenabbau
geschehen. "In einem zum Rittergut (Ramsin) gehörigen Gehölze, die Pomsel
genannt, hat der damalige Besitzer die hierliegenden Braunkohlenlager zu
benutzen angefangen". Aber diese Grabung blieb stecken und ein Versuch des
rührigen, jedoch mittellosen Unternehmers Höbold, um 1830 den Betrieb wieder
aufzunehmen und gleichzeitig aus dem über der Kohle liegenden Ton Bausteine zu
fabrizieren und in den Handel zu bringen, mißglückte ebenfalls. Erst dem
Bitterfelder Bürger und Tuchfabrikant David Schmidt (gestorben 1844), welcher
1839 das Rittergut Ramsin gekauft hatte, gelang es, die Pomselgrube, welche er
mit dem Rufnamen seiner e. Gattin Auguste benannte, dauernd betriebsfähig zu
gestalten. Die Hauptstraßewurde 1893 bis 1895 erbaut, vorher waren dort Gärten und Acker. Zscherndorferstraße,erbaut 1900 bis 1903. Der Konsum steht auf dem Bauerngutgelände von Rupprecht am Dorfplatz. Das ehemalige Gut ist jetzt zu Wohnungen umgebaut. Teichstraße,erbaut 1876 bis 1878. Als erstes Haus entstand das von Kupsch Nr. 21. Dieses wurde nach einem damals neuen Verfahren mit Heidekraut gewällert. Wo jetzt das Geschäftshaus Teichstraße Nr. 3 steht (Steuer) war die alte Dorfschmiede von Dilecke. Dieses Grundstück ging bis Bahnhofstraße Nr. 4 einschließlich des Geschäftshauses von Siegert. Das Geschäftshaus von Fleischer ist 1868 erbaut, es war früher ein Bauerngut. Bahnhofstraße.Diese entwickelte sich nach Errichtung des hiesigen Bahnhofes, der 1898 erbaut worden ist; früher war hier alles |
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Acker und Garten. Die erste Fahrkarte, die aus dem hiesigen Bahnhof ausgegeben
wurde, befindet sich noch in Händen des Herrn Maurermeisters G. Voigt. Greppinerstraßeist 1880 angelegt. Die ältesten Häuser sind die von "Kunze, Both und Kirchhof", Müllers Haus ist kurz vor dem Krieg abgebrochen worden. Zörbigerstraßeerbaut 1875. Als altes Haus gilt die frühere Stellmacherei von Uebe. Ramsinerstraße,erbaut 1880. Das frühere Hermannsche Haus hinter der Badeanstalt der Louisengrube gilt als sehr alt. Die Beamten und Angestellten-Wohnhäuser der B. Louisengrube sind in den Jahren 1918 bis 1926 erbaut; vorher war hier Acker, der aber von der Grube "Richard" ausgekohlt ist. Auf der anderen Seite wird die Grube jetzt angefüllt und Gartenland angelegt. Der Bauernteich
(jetzt Sportplatz) war bis 1910 noch voll Wasser, in diesem gab es bis dahin
viel Fische. Am 17. Juli 1904 ertrank darin der Schuhmacher Franz Mittag. Der
Bauernteich wird jetzt von der Grube "Hermine" ausgebaggert, er befand sich
hinter der Schule und war der 4. Sandersdorfer Teich; aber auch der beliebteste
und der letzte. Der Platz vor der Schule war eine Sandgrube hier tummelte sich
am Tage das Vieh der Einwohner. |
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Die alte Gemeindeschenke befand sich in der Schenkgasse, jetzt Poststraße Haus
Nr. 4. Der Brödel
bei Sandersdorf war ein Moorbruch, welcher trockengelegt und geteilt ist. Dieser
Brödel hat dem nach Zscherndorf zu entspringenden und bei Salzfurth in die Fuhne
fließenden Bach den Namen gegeben. Der Brödelgraben entsprang in Zscherndorf wo
jetzt die Schule steht. Im Brödelgraben und den Sandersdorfer Teichanlagen war
eine große Anzahl Fische. Große Körbe voll wurden von den hiesigen Einwohnern
dort gefischt. Nachdem aber der Bergbau immer mehr Wurzel faßte, gingen diese
fischreichen und sehr beliebten Anlagen vollständig ein. Ein Stück des
Brödelgrabens befindet sich noch in der Ramsiner Straße. |
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Bitterfelder Landgraben. Die Gemarkung beträgt 4000 Morgen. Zur Pfarre gehörten
140 Morgen Acker. August Reichenbacch 5 Scheffel Christian Rupprecht 3 " Gottfried Pritzsche 4 " Gottfried Dietrich 5 " Gottfried Henze 2 " 12 Metzen Gottfried Rudolf 2 " Gottfried Schulze 2 " Georg Seidler 2 " Georg Damitz 4 " Christoph Götze 2 " Gottfried Baumgarten 4 " Gottfried Prietzsch jun. 2 " Christian Schröter 2 " Gottlieb Henze 6 " Gottfried Voigt 4 " Andreas Volk 4 " Gottlieb Pannicke – 12 Metzen August Peißer 2 " August Götze – 4 Metzen Gottlieb Ruprecht 4 " Gottfried Bunge 2 " August Hensse 1 " 12 Metzen Andreas Sonntag 3 " Christoph Birkner 3 " Christoph Dittrich 4 " Christoph Reichenbach 2 " Gottlieb Kunschmann 2 " |
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Gottfried Hohmann 5 "
Gemeinde 1 "
Summa 89 Scheffel 13 Metzen
Diese Abgaben an die Sandersdorfer Pfarren haben unter den hiesigen Bauern oft
viel Unannehmlichkeiten hervorgerufen. Beschwerde über Beschwerde seitens des
Pfarrers sowohl, wie von seitens der Bauern wurden eingereicht, besonders in
den Jahren, wo eine geringe oder gar Mißernte zu verzeichnen war. Erst, nachdem
der Staat diese Abgaben abschaffte und dafür einen festen Gehalt der Pfarrer
sowie der Lehrer durchführte, hörte das Murren auf, so daß man von einem
heimlichen Burgfrieden, "ausgetragen im stillen Kämmerlein", sprechen kann. Evangelische Kirche und Schule in Sandersdorf.
Wie alt die hiesige Kirche ist, ist nicht mehr festzustellen. Da aber Sandersdorf
ein altes Pfarrdorf ist, ist anzunehmen, daß die Kirche etwa 700 Jahr alt ist.
Die kirchlichen Nachrichten reichen nur bis 1663 zurück. Aeltere wertvolle Akten
sind bei einem großen Brand am 10. Oktober 1718 vernichtet worden.
1. Pastor Georg Eckart (gestorben 19. März 1671)
2. " Gottfried Hammer (1671–1691)
3. " Johann Georg Schnabel (1691–1694)
gestorben 1694 26 Jahr alt
4. " Gottfried Reiche (1694–1697)
5. " Karl Otto (1697–1725)
6. " Gabriel Jäger (1725–1742)
7. " Gottfried May (1742–1749)
gestorben am 19. März 1749
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8. Pastor Johann Bäumlinger (1749–1764)
war vorher fürstl. sächs. Hofprediger
in Zörbig und wurde, als der fürstliche
Hof in Zörbig aufgelöst wurde nach
Sandersdorf berufen. 1764 wurde Pastor
Bäurnlinger nach Roitzsch versetzt.
9. Pastor Christian Eusebus Wagner (1764–1771)
10. " Johann Strauch (1771–1782)
wurde 1782 nach Zörbig als Oberpfarrer versetzt.
11. " Christian Hoffmann (1782–1796)
12. " Wilhelm Hoffmann (1796–1812)
dieser schenkte der hiesigen Kirche die noch
jetzt im Gebrauch befindlichen Abendmahls–
Geräte (Weinkanne und Hostienteller)
13. " Joh. Karl Samuel Hänisch (1812–1836)
14. " Schröter
15. " Hinkel
16. " Hempel (1854–1885)
War vorher Diakonus in Bitterfeld
17. " Karl Rapmund (1886–1914)
18. " Engeln (1916–1927)
19. Als Nachfolger für Herrn Pastor Engeln amtiert
seit 1927 Herr Pastor Sinz.
1750 erwarb die Kirchengemeinde aus der eingegangenen Schloßkapelle zu Zörbig,
in welcher der Sandersdorfer Parrer M. Bäumlinger als Hofprediger gewirkt,
Orgel, Kanzel und Altar für zusammen 140 Thaler. |
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"Am 19. November 1778 Bürger Johann Friedrich Reichenbach Nachbar und Anspänner
allhier, mit Jungfrau Anna Maria Beiserin. Johann Christoph Bryter, Nachbars und
Anspänners allhier, eheleibliche mittelst Tochter, nach 3maligen Aufgebot in der
Kirche allhier getraut worden."
1. 3 Hufen zu je 30 Morgen enthaltend, mit 27 Scheffel
Aussaat.
a) in der Egelmark
b) Bitterfelder Mark
c) Greppiner Mark.
2. Breitefeld mit 10 Scheffel Aussaat
9 Morgen enthaltend.
3. 1 Ackerstück mit 11 Scheffel Aussaat
9 Morgen enthaltend.
4. Ein Stückchen Feld mit 6 Metzen Aussaat
1/2 Morgen.
5. Ein Stückchen Feld bei Stakendorf mit 1 Metze
Aussaat 3/4 Morgen enthaltend.
6. 4 Gemeinde–Kabeln im Prödel zwei zu 1 Morgen
und ebensoviel zu 1/2 Morgen, wovon die
ersten 3/4 Scheffel Aussaat und die letzteren
1/4 Scheffel enthalten.
Außerdem ein Pfarrgarten
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von je 1 1/2 Morgen, ferner 19 Morgen Wiese
an der Mulde und 6 Morgen Wiese hier.
Außer Getreide und sonstige Früchte waren die Bauern verpflichtet noch andere
Abgaben an den Pfarrer zu entrichten. Daß hier mancher versuchte sich zu drücken,
wo es nur ging, zeigt eine Beschwerde des Pfarrers von Sandersdorf an das Amt zu
Bitterfeld. |
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Kühnast mit Fräulein Emmy Fiedler am 1. Pfingstfeiertag nachmittags. Auf festlich geschmücktem Rollwagen begann die Fahrt vom Bahnhof nach der Kirche, begleitet von einer Schar kirchlicher Gemeindemitglieder, wo die Glocken alsbald ihrem neuen Bestimmungsort zugeführt wurden. Am 1. Pfingstfeiertag vernahmen die Sandersdorfer Bürger zum ersten Mal den frohen Klang der neuen Glocken. Mögen dieselben nun recht lange den Bürgern durch ihren Klang zur Einigkeit und zum Frieden mahnen. Nicht Wunden reißen, sondern Wunden heilen, nicht Krieg sondern Frieden sollen sie uns läuten, der Menschheit zur Ehre! Evangelische Schule.
In den früheren Jahren, vor ungefähr 50 Jahren hatten die Behörden, sowohl wie
der Staat, sehr wenig Interesse für die Schulen und die geistige Entwicklung
der Kinder. |
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Als Lehrer amtierten hier seit 1663.
1. Lehrer Gottfried Lindtner (gest. 27. März 1671)
2. Gottfried Schneider
3. Gottfried Kritzsche (gest. 31. Oktober 1751)
4. Johann August Hermann, dieser starb nach 50 jähr.
Tätigkeit an der hiesigen Schule im Alter von
72 Jahren am 12. März 1804
5. Gottfried August Hermann folgt 1804 seinem Vater
Johann August Hermann) als Lehrer
(gest. 25. Jan.1835)
6. Christoph Langrock (gest. 11. Nov. 1830 27 Jahr alt)
7. Chrifloph Bartnuß (wurde 1852 nach Roitzsch versetzt)
8. Lebrecht Gottlob Krüger (gest. am 26. März 1886)
9. Lehrer Böning 1886–1904 (als Küster und
Organist tätig)
10. Ernst Engelhardt kam 1887 als zweiter Lehrer dazu
11. Lehrer Züge 1893–1915 (versetzt nach Keischberg)
bei Dürrenberg; jetzt als Rektor tätig)
12. Lehrer Velfe 1892–1911 (versetzt nach Uebigau;
jetzt als Rektor tätig)
13. Lehrer Klöpzig 1900–1922
(in den Ruhestand versetzt)
14. Lehrer Mende 1903–1909
(versetzt nach Hohenmölsen)
15. Lehrer Lezius 1905–1910 versetzt
16. " Kötzsche 1910–1912 "
17. " Voigt 1911–1919 "
18. " Steinbrecher (am 5. Nov. 1916 gefallen)
19. " Drese 1918–1922 (gest. am 20. Dez. 1923)
20. " Fischer 1919–1920 (versetzt nach den
Leunawerken; jetzt Rektor in Pretzsch)
21. " Will 1919–1924 (versetzt nach Burxdorf)
22. Lehrerin Frl. Ella Freydte 1909–1912
23. " " Vogel 1912–1918
24. " " Ude 1916–1918
25. Frl. Krüger, Tochter des Lehrers Göttlieb Krüger war
als Handarbeitslehrerin im Nebenamt bis 1920 tätig
(1920 in Ruhestand versetzt).
1913 erhielt Sandersdorf eine Fortbildungsschule. |
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Eine im Jahre 1909 errichtete Familienschule wurde am 1. April 1913 wieder
aufgelöst. |
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Schuleinnahmen von 1890.
Stelleneinkommmen der hiesigen l. Lehrerstelle.
I. Geldeinnahme (A. Ständige)
1. Aus der Staatskasse Tranksteuer 10.00 Mk.
2. Aus der Kirchenkasse 7.00 "
3. Zinsen 221.00 "
(B. Unständige)
1. Hausgenossengeld etwa 50.00 Mk.
2. Von jedem Haus an Opfer, Wurstgeld,
Kirmeßkanne á 30 Pfg. 112 Häuser 33.60 "
3. Entschädigung für den abgeschafften
Singumgang 67.00 "
4. Schulgeldentschädigung (25–38 Pfg.
pro Kind) 480.00 "
5. Accidenzien 300.00 "
6. Konfirmandengelder 15.00 "
Geldeinnahmen Sa. 1189.60 Mk.
II. Naturaleinkommen.
1. Für 12 Berl. Scheffel 3 Mtz. Dezen
Roggen á Scheffel 6 Mk 73.50 Mk.
2. Für 3 Schock 44 1/2 Garben Roggen
á Garbe 30 Pfg. 67.20 "
3. Für 224 Roggenbrote á 1.40 Mk. 312.60 "
4. Für 448 Stück Eier á 5 Pfg. 22.40 "
Wert der Naturalien Sa. 475.70 Mk.
III. Von den Schulgütern.
1. Landpacht 85.50 Mk.
2. Gartennutzung 30.00 "
3. Wohnung und Heizungsüberschuß 105.00 "
Der zweite Lehrer hatte ein Einkommen von 850 Mark jährlich im Jahre 1890. |
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Am 1. Februar 1899 kaufte die Grube Ehrich den der Schule gehörenden 4 Morgen
großen Acker am Stakendorfer Busch für 4550 Mark. Herr Lehrer Rehm (Rektor seit 1922) " " Westhoff seit 1912 " " Leßner " 1919 " " Baumgraß " 1920 " " Mundt " 1924 |
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Herr Lehrer Schulze seit 1924 " " Günther " 1927 " " Rabe " 1927 Frau Riedel techn. Lehrerin seit 1921 Frl. Kölling seit 1924 Die Ev. und Kath. Schule wurde besucht: Jahr Ev. Schüler Konfirm. 1852 63 18 1886 240 30 1890 247 21 1892 284 23 1896 296 26 1901 353 29 1902 362 50 1903 368 42 1910 379 39 1011 378 41 1912 396 38 1915 411 57 1917 430 52 1919 428 51 1920 437 59 1921 421 36 1922 411 48 1923 384 49 1924 358 51 1925 328 60 kath. Kinder 107 1926 324 58 " " 118 1927 316 55 " " 178 1928 327 46 " " 175 Katholische Kirche.Die Kirche ist eine Filiale von Bitterfeld unterm Dekanat Torgau. Der erste Spatenstich zum Bau der kath. Kirche wurde am 15. April 1906 getan. Am 18. November 1906 war die Einweihung; sie ist nach den |
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Plänen des Geh. Baurats Güldenpfennig in Paderborn im gothischen Stil vom
Maurermeister Gustav Voigt hier erbaut. Die Einweihung vollzog sich morgens
um 10 Uhr in der festlich geschmückten Kirche. Den Weiheakt vollzog der Dechant
Meintrupp aus Eisleben. Die Kosten des Kirchgebäudes betrugen 34000 Mk., die
ganz aus milden Gaben, namentlich aus Westfalen, dem Rheinland und aus Schlesien
herrühren, wie auch die Innenausstattung. |
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Katholische Schule.
Die kath. Schule befindet sich in der Greppiner Straße Nr. 9. Durch das Anwachsen
der kath. Schulkinder, wodurch die Schule nicht mehr ausreichte, wurde eine neue
Klasse in der Ev. neuerbauten Schule eingerichtet. Die Zscherndorfer Kinder,
sowie die der "Deutschen Grube" besuchten bis 1910 die Schule in Sandersdorf.
Da die Zahl derselben in Sandersdorf sich fortgesetzt steigerte, wurde eine
Klasse in Zscherndorf eingerichtet. Zscherndorf und Deutsche Grube schickten
zuletzt noch 60 Kinder nach Sandersdorf zur Schule. |
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Männer und Jünglinge der kath. Gemeinde, die zur Fahne gerufen wurden, ihre Staatsbürgerpflichten voll und ganz erfüllt haben. Dieses bezeugen die Tafeln des Ehrenmales. Rückblick auf die jüngsten 10 Jahre.
Bis 1914 war Hauptstraße Nr. 26 die Dorfschmiede von Schmiedemeister Tafelmeier. |
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1925 am 27. September: Einweihung des Ehrenmales für die im Weltkrieg Gefallenen
der Gemeinde Sandersdorf. Den Weiheakt vollzog Herr Pastor Engeln. Zum Denkmalsausschuß wurden gewählt: Herr Gustav Krug, Vorsitzender " Alfred Schmeil, Kassierer " Karl Neumann, Schriftführer " Gemeindevorsteher Ebert als Beisitzer " Robert Nuckelt " "
Erbauer des Ehrenmales ist Herr Bildhauer Weihe, Brehna. Die Kosten stellten
sich auf 3500 Mk., hinzu kommen noch die Kosten für Maurerarbeit und sonstige
kleinere Arbeiten von etwa 500 Mk. Diese Summen wurden aufgebracht durch
Haussammlungen, Spenden von der hiesigen Industrie "Grube Louise", Grube
"Richard" und Werk I, sowie durch Beiträge der Vereine, die dem Denkmalsausschuß
angehörten und durch Abendveranstaltungen. |
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Eisenbahn. Auch Herr Dr. Einecke baut an der Eisenbahn ein Wohnhaus mit
ärztlichen Einrichtungen.
Als Vorstand amtierte 1926, 27 und 28:
Herr Geyer 1. Vorsitzender.
" Velfe Kassierer
" Bärwald Schriftführer (seit 28 Herr Metz)
1928. Kanalisierung einiger Straßen, sowie Versorgung der Gemeinde mit Gas. |
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Auf dem Gelände rechts der Zscherndorfer Straße, welche von der Grube "Richard"
jetzt ausgebaggert wird, standen vorher 3 Wohnhäuser. Auch das Wohnhaus von
Herrn Grubenbesitzer Hans Schmidt befand sich hier. — Die jetzige Villa
nebst Park und Garten sowie das Gärtnerwohnhaus des Herrn Schmidt ist erst 1924
entstanden.
1829 – 24,8 Grad unter Null
1830 – 24,6 " " "
1838 – 26,8 " " "
1850 – 28,3 " " "
1863 – 28,4 " " "
1871 – 27,2 " " "
1917 – 23,4 " " "
1928 – 25 " " "
1929 – 28,7 " " "
Daß der Winter 1928 zu 29 einer der härtesten seit vielen Jahren war, soll
folgende Feststellung beweisen : |
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desgleichen die Gartenpflanzen, Obstbäume usw. von letzteren sind infolge der strengen Kälte viel geplatzt. Kartoffeln und Rüben sind in der Miete erfroren. Durch das am 4. März 29 eintretende Tauwetter traten überall Hochwasser und Ueberschwemmungen ein, welches in der Flur erheblichen Schaden verursachte. Sandersdorf als Industrieort.
An den Bitterfelder Braunkohlenablagerungen und deren bergbaulichen Ausbeute
haben und nehmen unsere Fluren erheblichen Anteil. |
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B i t t e r f e l d e r L o u i s e n g r u b e
Kohlenwerk und Ziegelei Aktiengesellschaft in Bitterfeld. Sitz der Verwaltung in Zscherndorf, Krs. Bitterfeld Aktienkapital am 31. Dezember 1928 l 000 000. – RM. Reservefonds " " " " 478 242.72 RM.
Das Unternehmen besteht seit Anfang 1872 und wurde, nachdem es zunächst als
offene Handelsgesellschaft betrieben worden war, am 16. Mai 1873 in die noch
heute unter demselben Namen bestehende Aktiengesellschaft umgegründet. |
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Techn. Direktor der Bitterfelder Louisen-Grube
Das Werk ist eins der größten Unternehmungen unserer näheren Umgegend. Zurzeit
werden rund 350 Arbeiter und Angestellte hier beschäftigt. Das Braunkohlenwerk "Deutsche Grube"liegt ein Stück in der Flur Sandersdorf. Deutsche Grube vormals Bauermeister und Söhne A.–G., seit 1918 im Besitzverband |
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Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation ("Agfa"). Der erste Tagebau wurde im
Jahre 1847 an der südöstlichen Grenze des Grubenfeldes neben dem Grubenfelde der
"Auguste" angelegt. Das Grubenfeld "Deutsche Grube" erstreckt sich nördlich an
der Flur Sandersdorf bis an die "Louisengrube" und an die nach Zörbig führende
Kreisstraße und westlich bis an die Grube "Richard". Auf die Sandersdorfer Flur
entfallen 400 Morgen. Die Gruben "Marie, Hermine, Antonie.",eröffnet in den Jahren 1871–1880, gehören jetzt zur I.G. Farbenindustrie A.-G. Diese drei Gruben befinden sich ebenfalls teilweise auf Sandersdorfer Flur zwischen Wolfen und Sandersdorf. Die "Rübensaftfabrik von Hänsch & Co."
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der Arbeiterstand in den Gruben erheblich, was zur maschinellen Abraumförderung im Wege der Vergebung an Unternehmer führte. Die Bitterfelder Louisen–Grube fing 1890 mit einem Bagger an; um 1900 waren auf 8 Gruben Bagger zur Bewältigung des Abraums tätig. Der erste Groß–Abraumbetrieb wurde von der Grube Hermine 1928 eingeführt. Die chemische Industrie.
Die chemische Industrie ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Zweig des
deutschen Wirtschaftsaufbaues geworden. Die I.G.Farbenwerke A.–G. sind
Nebenwerke der "Chem. Fabrik Griesheim–Elektron" (Frankfurt) der
"A. E. G." und "Agfa" (Berlin), sowie dem Salzbergwerk Neustaßfurt. Teile dieser
Nebenwerke befinden sich auf Sandersdorfer Flur. Diese Werke entstanden in
unserer Gegend wegen der damals billigen Braunkohle. Aber auch der große
Wasservorrat der Mulde, sowie die Ziegelei–Industrie haben hier anziehend
mitgewirkt. Vor dem Krieg wurden hier schon Anilinfarben und Agfa–Filme
hergestellt. Während des Krieges sind hier auch Schieß– und Sprengstoffe
sowie Giftgas hergestellt worden. Nach Beendigung des Krieges sind die Werke
wieder auf Friedenserzeugnisse umgestellt worden. |
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Aus kleinen Anfängen ist die chemische Industrie heute zur wichtigsten Industrie
für Bitterfeld und Umgegend geworden. Fast alle Werke und Gewerbetreibende sind
mittelbar oder unmittelbar mit ihr verbunden. Auf dem Felde der Ehre fielen für unser Vaterland 1914–1918:Bartkowiak gef. 11.11.14 Bormann E. gef. 8. 8.15 Hönicke H. " 7. 2.15 Schuster K. " 26. 9.15 Hube P. " 23. 9.14 Bennewitz Th. " 18. 8.15 Bergt H. " 10.14 Bzyl K. " 26. 9.15 Chazubski O. " 1.12.14 Braun W. " 8.10.15 Kirchhof O. " 31.10.14 Mai K. " l. 1.16 Bergmann R. " 31. 1.15 Böck R. " 27. 3.16 Beitke O. " 10. 4.15 SzymkowiakM. " 15. 3.16 Günther Fr. " 4. 2.15 Gorlaszynski M. " 5. 3.16 Wlodarczack St." 23. 5.15 Panniger R. " 28. 4.16 Kittler P. " 10. 7.15 Furmankiewicz St." 9. 5.16 Griehte G. " 4. 3.15 Pfeiler G. " 4. 7.16 Klöpzig G. " 6. 9.14 Kuntze O. " 25. 6.16 Lange E. " 13. 6.15 Lukowiak J. " 20.12.16 Oberbeck A. " 18. 7.15 Czwoidzinski J. " 19. 7.16 Nuckelt O. " l. 9.15 Przybylski F. " 6. 9.16 Hermann O. " 27. 5.15 Zelle O. " 21. 6.16 Hahn P. " 27. 5.15 Brandt K. " 28. 7.16 Rockicki A. " 7. 9.15 Müller O. " 5. 7.16 Heidecke E. " 13. 9.15 Wille W. " 7. 9.16 Schöbe W. " 5. 9.15 Janiak St. " 18. 7.16 Beau W. " 30. 7.15 Jaskowiak L. " 28. 8.16 |
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Stansch G. gef. 18. 7.16 Lehmann O. gef. 6.11.17 Steinbrecher F." 5.11.16 Simon H. " 18. 4.18 Düring E. " 13.10.16 Dittmar E. " 27. 4.18 Reinsch K. " 27.11.16 Grünewald W. " 21. 3.18 Bonaventura L. " 24. 4.16 Titz A. " 22. 8.18 Pannier P. " 30.12.16 Fleischer H. " 14. 4.18 Seyfert W. " 8.12.16 Majerowitz L. " 28. 4.18 Boernicke O. " 27. 4.17 Nuckelt R. " 13. 6.18 Bzyl M. " 13. 3.17 Oleniezak B. " 30. 4.18 Pannier K. " 18. 4.17 Pannier G. " 7. 6.18 Meißner F. " 19. 5.17 Otto F. " 2. 4.18 Jaßniak E. " 3. 5.17 Körber K. " 2. 6.18 Hönke G. " 24. 5.17 Grzywacz J. " 27. 8.18 Scheibe B. " 5. 8.17 Haerthe A. " 20. 2.17 Schäfer A. " l. 8.17 Sasse R. " 31. 8.18 Krake H. " 6. 9.17 Sobieski A. " 27. 3.18 Dake M. " 21.10.17 Brandt Fr. " 13. 6.18 Kaseler F. " 21.12.17 Kittler K. " 1918 Vermißte: Dittmar Otto – Uehe, Otto Behörden und sonstige Personenkunde.
Ia. Gemeinde-Verwaltung.
1. Ebert, Hermann, Gemeindevorsteher
2. Just, Louis, Gemeindekassenrendant
3. Neumann, Karl, Gemeindesekretär
4. Ehring, Karl, Beamtenanwärter
5. Würker, Karl, Vollziehungsbeamter
Ib. Amtsvorsteher:
Lützner, Hugo, Ramsin
Polizeihauptwachtmeister Paul Geyer, Sandersdorf
Oberlandjäger Jäger
Oberlandjäger Heine wurde 1928 nach Holzweißig versetzt.
II. Gemeinde-Vertretung:
1. Engelmann, Kurt (Schöffe) 2. Neunes, Ewald
3. Voigt, Richard 4. Wullstein Fr.
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5. Röthling, Louis 10. Nuckelt, Gustav
6. Fahlke, Hermann 11. Dir. Borsbach, Ernst
7. Pohlens, Gustav 12. Stadler, Wilhelm
8. Seyffert, Richard 13. Börnicke
9. Nuckelt, Rob. (Schöffe) 14. Anton, Wilhelm
III. Standesamt
für Sandersdorf, Zscherndorf, Ramsin, Renneritz
Gemeinde–Vorsteher Ebert
Stellvertreter
Louis Just und Karl Neumann.
IV. Gutsbesitzungen
(landwirtschaftliche Betriebe)
1. Bley, Otto 3. Birkner, Emil
2. Nuckelt, Robert 4. Birkner, Paul
V. Krankenpflege.
Seit 1922 ist in Sandersdorf ein Arzt:
Herr Dr. W. Einecke,
zugleich als Schularzt tätig.
Geburtshilfe: Frau Raum, Frau Wehner.
In der Krankenpflege sind drei Schwestern tätig:
Die Gemeindeschwester Frieda Franke seit 1926;
ferner eine evang. und eine kath. Krankenschwester.
Als Zahntechniker (Dentist) ist seit 1926 Herr Herzog
im hiesigen Ort ansässig.
V a. Dem Gemeinde–Wohlfahrts–Ausschuß
gehören an:
Herr Seyffert, R., Vorsitzender
" Just, L.
" Nuckelt, R.
" Rostalczki
Frau Raum (Hebamme)
" Franke, Frieda (Gemeindeschwester)
" Hönke
Herr Gemeinde–Vorsteher Hermann Ebert ist seit dem 1. Oktober 1909 als
hauptamtlicher Gemeinde–Vorsteher angestellt. |
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VI. Selbständige Geschäfts– und Gewerbetreibende:
1. Bäcker: Velfe, Heinze, Merker, Nuckelt G.,
Kohlmann, Romanus.
2. Fleischer: Pertermann, Ebert Alfred, Ebert Otto,
Zorn (früher Müller), Stansch H. (eröffnet am
25.l0.1928)
3. Maurermeister: Voigt, Gustav.
4. Schmiede: Niebert.
5. Stellmacher: Fanke.
6. Glaser und Bautischler: Kristall, Julius.
7. Tischler: Rohde, Gustav.
8. Schuhmacher: Hönicke, Tolge, Preißler, Wehling.
9. Gastwirte: Funke, Dibbe, Heinicke, Zipperling, Otte.
10. Geschäfte von: Prautzsch, Koch, Wiedenbein,
Möbius, Fleischer, Wehner, Braust, Ludley,
Wislicenus, Jahn, Ihlow, Quilitzsch, Masuch,
Bergt, Kittler, Mahchrzak, Tittel, Skiba,
Bärwald, Nuckelt.
11. Barbiere: Lucke, Siegert, Grohmann.
12. Klempner: Watzeck.
13. Schlosser: Nuckelt R.
14. Schneider: Rickelt, Dittmar.
15. Maler: Hube, Hambsch, Börnike.
16. Tapezierer u. Polsterer: Möbius Fr., Hampe,
Wolf.
17. Dachdecker: Richter.
18. Buchbinder: Panniger.
19. Milchhändler: Möbius Fr., Bergt H., Both.
20. Käsefabrik: Göhrmann.
Gegenwärtig bestehende größere Vereine.
gegr. Mitgl.
Männer-Ges.–Verein Sang u. Klang 1879 40
" Liedertafel 1906 65
" Eintracht 1921 65
Doppelquartett 1922 40
Krieger– u. Landwehrverein 1880 125
Handwerkerverein 11.8.1887 120
Turnverein Germania 1904 100
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gegr. Mitgl.
Turnverein Sandersdorf 1880 50
Verein f. L. u. B. Union 1911 125
Sportverein Sandersdorf 1921 70
Freiwillige Feuerwehr 1926 80
Radfahrerverein Sandersdorf
Germania
Schießverein
Geflügelzuchtverein
Kath. Männerverein 1905 65
Kath. Frauenverein
Ev. Frauenverein
Verein ehem. Kriegsgefangener 1920 28
Außerdem bestehen noch eine Anzahl kleinerer Vereine.
Den kirchlichen Körperschaften der Parochie
Sandersdorf gehören an:
Pfarrer Sinz, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates
Herr Gemeindevorsteher Ebert — Gemeinde–Kirchenrat
" Grubenbesitzer Schmidt,
Kirchenältester u. stellv. Vors.
" Obersteiger Halle Gemeinde–Kirchenrat
" Maurermeister Voigt "
" Mühlenbesitzer Nuckelt "
" Landwirt Kluge (Zsch.) "
" Rektor Rehm Gemeindevertretung
" Landwirt Bley "
" " Birkner, Emil "
" " Birkner, Paul "
" Masch.–Mstr. Düring, Friedr. "
" " Möbius, Karl "
" Betriebsführer Bloch, Albin "
" Schmied Möbius, Hermann "
" Steiger Theer "
" Hegemeister Stolze "
" Rentier Täsch "
" " Günther "
" Betriebsleiter Hicketier "
" Pastor Sinz, Sandersdorf
" Just Louis — Kirchen–Rendant
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Evangelischer Elternbeirat.
Herr Stockmann Herr Rabald, Fritz
" Kirchhof " Wöege, Fritz
" Möbius, Karl " Seiffert, Oskar
" Täsch, Karl
Der kirchlichen Gemeinde–Vertretung gehören
ferner an:
Frau Westhoff, Frau Ludley, Frau Steffen, Frau Hartwig,
Frau Hönicke.
Von Zscherndorf gehören an:
Herr Eschenbach, Konrektor, Herr Pobbig, Herr Hennig,
Herr Kunze, Herr Körner, Herr Pannicke.
Schul–Vorstand.
Die Gemeinde Sandersdorf ist mit dem Forstgutsbezirk
Stakendorfer Busch zu einem Gesamtschulverband vereinigt.
Vorsitz: Gemeindevorsteher Ebert
Stellv. Vors. Rektor Rehm
Mitglieder aus der Gemeindevertretung:
Schöffe Landwirt Robert Nuckelt
Gdv. Direktor Borsbach
" Arbeiter Louis Röthling
" " Richard Voigt
Vom Forstgutsbezirk: Hegemeister Stolze.
Evang. Geistlicher Pfarrer Sinz
Kath. " Pfarrvikar Hesse
Von der Lehrerschaft:
Rektor Rehm, ev.
Rektor Hansmann, kath.
Lehrer Westhoff, ev.
" Stadler, kath.
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Reichstagswahl vom 20. Mai 1928.
Wahlberechtigt 2470 Personen. – Abgegebene Stimmen 85 %
Sozialdemokratische Partei 413 (250) Stimmen
Deutsche Volkspartei 172 (446) "
Deutschnationale Partei 144 ( ) "
Zentrum 223 (184) "
Kommunistische Partei 814 (561) "
D. Demokratische Partei 87 (74) "
Wirtschaftspartei 179 "
Weitere 11 Parteien erhielten 56 "
Summa 2088 Stimmen
Die Zahlen in Klammern sind die Stimmen von der
Reichstagswahl am 7. Dezember 1924.
Gemeindewahl vom 2.März 1919.
Unabhängige Sozialisten 718 Stimmen
Bürgerliche Liste 249 "
Sozialdemokraten 198 "
Zentrum 85 "
Polen 199 "
Gemeindewahl vom 4. Mai 1924.
Einheitsliste der Arbeiter u. Angestellten I. 1013 Stimmen
Bürgerliche Liste r. 657 "
Zentrum 270 "
Einige Vorkriegswahlen
verdienen noch in Sandersdorf beachtet zu werden.
Reichstagswahl am 12. Januar 1912.
Bauermeister Deutsche Grube (freik.) 145 Stimmen
Tschanter Eilenburg (freis.) 79 "
Raute (Soz.) 269 "
Chociesjewski (Pole) 53 "
Ungültig 1 "
Sa. 547 Stimmen
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Stichwahl am 22. Januar 1912.
Bauermeister 188 Stimmen
Raute 355 "
Wahl zur Nationalversammlung 1919.
Unabhängige Sozialdemokraten 996 (952) Preuß. L. Verf.
Mehrheitssozialisten 274 (246) "
Deutsch–Demokraten 88 (120) "
Zentrum 134 (148) "
Deutsche Volkspartei 18 (18) "
Deutschnationale Volkspartei 52 (63) "
Ungültig 4 (–) "
1556 (1547) Stimmen
Die Zahlen in Klammern sind die Stimmen zur
Preußischen Landesversammlung.
Einwohnerzahl von Sandersdorf.
1818 227 Einwohner 43 Häuser
1842 300 " 48 "
1860 400 "
1865 406 " 77 "
1885 1628 " 113 "
1910 3100 "
1916 3724 "
1919 3856 "
1920 3917 "
1925 4023 "
1927 4131 " 371 Häuser 982 Fam.
1928 4394 " 410 " 1040 "
Bitterfeld 1818 2246 Einw. 1919 16551 Einw.
Zscherndorf " 107 " " 1829 "
Ramsin " 285 " " 1301 "
Wolfen " 226 " " 3878 "
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Ramsin.
Ramsin liegt etwa 2 1/2 km südwestlich von Sandersdorf. Beide Fluren grenzen
unmittelbar zusammen. Bis vor einigen Jahrzehnten waren beide Orte durch den
300 Morgen großen Brand (Laubwald), der zum Rittergut Ramsin gehörte, getrennt.
Das Rittergut, ein ehemals alter Rittersitz, befindet sich seit 1927 in Pacht
der Gemeinde. Besitzer ist Herr Hermann Schuhmacher. Als jetziger Gutsinspektor
ist von der Gemeinde Herr Fischer angestellt und mit gutem Erfolg tätig.
Industrie befindet sich im Orte nicht, deshalb sind die Einwohner auf Arbeit
nach den umliegenden Werken angewiesen. |
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Gemeindevertretung.
Herr Henze, Albert Herr Zöhl, Hermann
" Müller, Karl " Hirsch, Franz
" Reichert, Franz " Haby, Wilhelm
" Retzke, Franz " Rothe, Paul (Schöffe)
" Stückroth, Otto " Latauschke
" Mandel. Eduard
Als Lehrer der Volksschule sind angestellt:
Herr Pöschel (Rektor seit 1929)
" Zimmermann, Karl
" Zimmer, Fritz
" Müller, Georg
" Schmidt, Georg
Gutsbesitzungen.
Remmicke, Witwe Meister, Friedrich
Müller, Karl Stammer, Otto
Meikert, Albert
Als einstmals größter Bauer ist Hirsch mit 400 Morgen
Acker genannt. Heute ist nur noch das alte Wohnhaus
am Dorfplatz vorhanden.
Gewerbetreibende und Geschäfte.
Engel (Fleischer) Brautzsch (Friseur)
Jänicke " Frl. Dietze (Friseuse)
Mandel (Bäcker) Weiser (Gärtner)
Richter " Jänicke, Paul
Berger " Zander, Anna
Täsch (Schneider) Henke
Braust " Klenk (Witwe)
Grube (Tischler) Nohr, Otto
Hermann (Schmied) Brautzsch, Hermann
Während des harten Winters 1928 zu 1929 hatte die Gemeinde Ramsin an Wassermangel bitter zu leiden; fast die gesamte Wasserleitung war zugefroren. Bei dem später einsetzenden Tauwetter folgte Rohrbruch auf Rohrbruch, sodaß zu Pfingsten 1929 der Schaden noch nicht ganz behoben war. |
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Sandersdorf und der Weltkrieg 1914–1918.
Der 2. August 1914 war ein schwüler, warmer Tag. Die Flur lag weit und breit
friedlicher denn je in den glänzenden Strahlen der Sonne. Auch unter den
Einwohnern war eine Ruhe und Gedrücktheit, wie man sie von den sonst so lebhaften
Sandersdorfern nicht gewohnt war, aber diese Ruhe in der Natur sowohl wie in der
Bevölkerung glich mehr einer "Ruhe vor dem Sturm". Schon lange lag die Bestie
"Krieg" in der Luft und wartete nur noch auf das Zeichen zum Losbrechen.
Am 2. August vormittags 11 Uhr wurde in Berlin die Mobilmachung bekannt gegeben.
Nachmittags 5 Uhr kam der Mobilmachungsbefehl auch in Sandersdorf heraus. Die
Ruhe war vorbei, der Sturm brach los. In größeren und kleineren Gruppen standen
die Leute zusammen, eifrig im Gespräch über die Zukunft. Nur wenige waren es,
die an eine Niederlage unserer sonst so tapferen und gefürchteten Armee glaubten.
Was aber am meisten auf die Einwohner einwirkte, war das Schicksal um die Zukunft;
wußten doch alle, daß jeder gesunde Deutsche jetzt seine staatsbürgerliche Pflicht
zu erfüllen hatte. Schweren Herzens nahmen die Angehörigen Abschied von dem
Ernährer, Vater, Sohn, Bruder, der nun hinauszog, nachdem ihn die "Order" zur
Fahne gerufen. Die Einwohner, die schon vor dem Krieg in mehrere politische Lager
getrennt waren, bildeten jetzt eine gemeinsame Masse; doch die Stimmung war nicht
herausfordernd oder freudig sondern ernst. Die Pflicht rief und jeder wußte,
daß er seine Schuldigkeit dem Vaterland gegenüber zu tun hatte. |
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kurz darauf folgten alle Lebensmittel. Es erhielt pro Kopf und Woche:
Brot 4 Pfund – Margarine 30 gr – Kartoffeln 3–5 Pfd. –
Fleisch 50 gr – Milch 1/2 Liter, jedoch nur für Kinder bis zu 4 Jahren.
Mehl und Fett gab es nur in kleinen Mengen 1/2 – 1 Pfd.. Kohlrüben, weiße
Rüben, Dörrgemüse aus Kohlrüben und Kohlblättern war das Nationalgericht –
Kaffee aus gebrannten Kohlrüben – das Nationalgetränk. – Tabak aus
Kirsch– und Buchenblättern die nationale Rauchware des deutschen Volkes!
Senf und Zimt stellte man aus Kohlrüben her, andere Gewürze waren fast
überhaupt nicht zu bekommen. Zucker gab es pro Monat 1 Pfd.. Seife bestand aus
Ton und Sand. |
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Verdienst nicht schlecht, aber es gab ja für das Geld nichts zu kaufen,
höchstens einen Anzug oder Wäsche aus Papier, oder Stiefeln mit Holzsohlen.
Aber etwas anderes war es was den Mißmut hervorrief: die ungeheuren Verluste an
kostbaren Menschenleben. Immer mehr Familien wurden davon betroffen, immer
lauter und deutlicher kam das Verlangen nach Frieden. |
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genötigt sah, Verstärkung von Bitterfeld heranzuholen. Die ganze Nacht feuerte
die Wache Leuchtraketen ab, um das Gelände übersichtlich zu machen. Als die
zuverlässigsten Wachmannschaften bewährten sich dabei die jüngsten Soldaten. |
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herunter, zerschnitten diesselbe und beschmutzten damit in erster Linie diejenigen, denen der Festakt, die Denkmalsweihe galt. Der "Kapp-Lüttwitz—Putsch" in Sandersdorf.
Infolge der dauernden Unruhen hatten sich im Reiche die Kriegsteilnehmer zu
verschiedenen Verbänden zusammengeschlossen. Als erster entstand am 13. Februar
1919 "Der Stahlhelm" mit 900000 Mitgliedern. Die ersten Jahre segelte er unter
der Reichsflagge "Schwarz—Rot—Gold". Erst später entwickelte er sich
immer mehr zu einer Rechtsorganisation und nimmt jetzt eine scharfe Stellung
gegen die Republik ein. Der hiesigen Ortsgruppe ist auch der Wehrwolf
angegliedert; er entstand 1924. Das "Reichsbanner Schwarz—Rot—Gold",
gegründet am 22. Februar 1924 mit über 2 1/2 Millionen Mitgliedern, ist die
größte Nachkriegs—Organisation. Ihr Zweck und Ziel ist, die deutsche
Republik gegen alle Umsturzversuche zu schützen, ganz gleich von welcher Seite
sie auch kommen mögen. Am hiesigen Orte besteht eine Abteilung des Reichsbanners
Schwarz—Rot—Gold "Bitterfeld". Der Rote Frontkämpferbund,
zusammengestellt aus Kriegsteilnehmern der kommunistischen Partei. Zweck und
Ziel ist den kommunistischen Gedanken zu festigen. Eine Ortsgruppe in Sandersdorf
entstand etwa 1926. |
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vor, nachdem ein Hornist nach allen Seiten Signale abgegeben, verlas der Offizier den Aufruf von General Märker, der aber auf die Bevölkerung ohne Einfluß war. Trotzdem jeder Streikende in dem Aufruf mit dem Tode bestraft wurde, dauerte der Streik eine Woche; während dieser Zeit erhielten die Arbeiter ihren Lohn weiter. — In Bitterfeld war eine größere Abteilung Reichswehr eingerückt, die auf die Ortschaften Kavallerieabteilungen schickte, auch durch Sandersdorf kam mehrere Mal eine solche. Einige Tage später haben Unbekannte eine Kavallerieabteilung bei Jeßnitz abgeschossen. Ein Aktionsausschuß sowie eine Einwohnerwehr, die für die Ruhe und Ordnung sorgen sollte, wurde eingesetzt. Die Straße war von der Wehr besetzt. Zu ihrer Bewaffnung hatte der Ausschuß Waffen beschlagnahmt. Leider gab es auch hier Leute, die sich Rechte anmaßten, die ihnen nicht zustanden; so hatte man Herrn Direktor Glockemeier angedroht, seine Villa in die Luft zu sprengen, allerdings blieb es nur bei der Drohung. Am 17. März marschierten Abteilungen der Einwohnerwehren von verschiedenen Orten in Richtung Brehna. Hier kam es zu dem verhängnisvollen Mord an Wachtmeister Hannemann. Als die Truppe, die ein Lastauto mit Maschinengewehr bei sich führte, das Deutsche Haus passiert hatte, kam ihr aus Richtung Brehna das Polizeiauto mit Wachtmeister Hannemannn entgegen. Sofort begann die Truppe auf das Automobil zu feuern, dabei zerschossen sie die Schutzscheibe, verletzt wurde niemand. Das Automobil hielt, die Polizei nahm eine freundliche Haltung ein, aber trotzdem wurden sie entwaffnet. Wachtmeister Hannemann befand sich noch im Auto, als die übrigen Wachtmeister schon ausgestiegen waren, plötzlich fiel aus etwa 1 m Entfernung ein Schuß, der Hannemann tödlich in den Kopf traf. Der Täter ist bis jetzt noch nicht ermittelt. Das Automobil setzt nun seine Fahrt nach Bitterfeld fort, während die Truppe in ihre Orte zurückkehrt. Nachdem die Kapp—Lüttwitz—Anhänger überall geschlagen und zum Teil verhaftet waren, riefen die Regierung sowie die Gewerkschaften und politischen Parteien wieder zur Arbeitsaufnahme auf. Diesem Aufruf wurde in Sandersdorf auch sofort Folge geleistet. |
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Aufruhrbewegung in Mitteldeutschland 1921.Diese hat sich in Sandersdorf weniger ausgewirkt. Die Gegend um Ammendorf, Halle, Mansfeld und Eisleben war das Hauptkampfgebiet der roten Armee unter ihrem Führer Max Hölz. Ein Kampfbericht der roten Armee besagt folgendes: Hauptquartier, den 28. März 1921.
"An der Eislebener Front setzte scharfes Gewehr- und Maschinengewehrfeuer ein.
Unsere Truppen hatten sich aber bereits zurückgezogen und sich in der Umgegend
konzentriert. Die weißen Truppen, welche Mansfeld und Leimbach besetzt hielten,
rückten gegen Eisleben vor und gegen Mittag griffen sie mit Minenwerfern an und
beschossen unsere längst geräumten Stellungen. Kleine Kavalleriepatrouillen
hatten kleinere Gefechte zu bestehen, welche ihnen nur Verluste eintrugen.
Die weißen Truppen besetzten die Grunddörfer und nahmen eine Anzahl Geiseln mit. |
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Sandersdorf in der Inflationszeit.
Die Inflationszeit ist wohl eins der traurigsten Kapitel der Geschichte mit.
Die Arbeiter, Angestellten, Beamte, kurz alle, die gegen Lohn arbeiteten,
hatten am schwersten darunter zu leiden. Die Mark verlor von Tag zu Tag.
In der letzten Zeit sogar von Stunde zu Stunde an Wert. Geld von vormittags
hatte oft am Nachmittag nur noch ganz wenig an Wert. Der wöchentliche Verdienst
reichte 1923 kaum noch zu einem Brot und 1/2 Pfund Margarine. Der Lohn änderte
sich jede Woche und immer größer wurde die Not und das Elend. Streiks und
kleinere Unruhen waren an der Tagesordnung. Auf der Bitterfelder Louisengrube
verunglückte während eines Streiks bei Verrichtung von Notstandsarbeiten der
Steiger Oswald Röder tödlich. 1.10.1919 noch 16,6 Pfg. 1.12.1919 " 10,4 " 20. 6.1920 " 10 " 1.12.1921 waren 100 Mk. noch 2,55 Mk. 1. 7.1922 " 1000 " " 9,50 " 4. 8. " " 1000 " " 4,88 " 23.10. " " 1000 " " 1,11 " 1. 7.1923 " 100000 " " 2,73 " 20. 7.1923 " 100000 " " l,33 " 29.11.1923 " 1 Goldmark 1 Billion Papiermark
Der Dollar wurde amtlich mit 4 210 500 000 000 Mk. notiert. |
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920 Haushaltungen |
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Erklärungen.
1 Gulden meißnisch = 21 gute Groschen = 2 Mark.
62 1/2 Pfennig
1 sächsischer Acker = 2 1/6 Morgen preußisch.
1 Königshufe = 47–50 ha.
1 Hufe = 11–13 ha oder 30–50 preuß. Morgen.
Hüfner = größerer Besitzer von 1–2 Hufen.
Gärtner, gertner oder Kossath = kleinerer Besitzer von
10–20 Morgen.
Ein Rittersitz = größeres Hüfnergut eines adl. Besitzers.
Stock = Richtstätte für Verurteilte.
1 ha = 10000 qm oder 100 Ar oder 7,05 Quadrat Ruten.
1 preußischer Morgen. = 189 Quadrat Ruten od. 25,532 Ar.
1 Scheffel = 56,25 Liter.
1 Metze = 9,375 Liter.
1 Rute = 12 Fuß oder 3,766 m
1 pr. Elle = 25,5 Zoll oder 0,667 m
1 Wispel = 2 Malter oder 24 Scheffel oder
144 Metzen oder 13,5 hl
1 pr. Klafter = 200 m
1 pr. Pfund = 32 Lot oder 467,711 Gramm.
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Inhalts-Verzeichnis
Seite
Einführung 3
Die vorgeschichtliche Zeit. 4
Aeltere Steinzeit. – Jüngere Steinzeit 5
Bronzezeit – Eisenzeit 6, 7
Frühgeschichtliches – Ortsnamen. 7
Sandersdorf zum Kloster Brehna 1373 12
Die Reformation 16
Der Hussiten-Krieg 1419–1436 18
Dr. Martin Luther 19
Der 30jährige Krieg 1618–1648 19
Stakendorf, Kolpin, Krondorf, Odeley,
Eckeln, Gräfendorf 25
Zscherndorf, Wolfen. Thalheim 28
Aus der Kirchenchronik 1692–1928 31
Der 7jährige Krieg 1756–1763 4
Aus den Kriegsjahren 1806–1815 37
1848. Die Revolution in Sandersdorf 40
Die Kriege 1864–66 und 70–71 40
Sandersdorf vor 100 Jahren 42
Evangelische Kirche und Schule 47
Katholische Kirche und Schule 56
Rückblick auf die jüngsten 10 Jahre 59
Sandersdorf als Industrie-Ort 63
Namen der Gefallenen 1914–1918 68
Behörden und sonstige Personenkunde 69
Wahlen und Einwohner von 1818–1928 74
Ramsin 76
Der Weltkrieg 1914–1918 und Umsturz 78
Der Kapp-Lüttwitz-Putsch 82
Der mitteldeutsche Aufruhr 84
Die Inflationszeit 85
Verschiedenes 85
Erklärungen 87
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