Klaus Peter Synnatzschke
Ein Findling mit den Maßen 1,90 x 1,30 x 0,85 m, der Lindenstein, befindet sich auf dem Dorfplatz gegenüber der ehemaligen Schule. Ob ihn die Gletscher der Eiszeit bis an diesen Platz verbracht haben, konnte bisher nicht erkundet werden. Über den Lindenstein wird eine Sage erzählt, hier sollen früher amtliche Bekanntmachungen verkündet und an Berechtigte Steuern ausgezahlt worden sein.
Am Lindenstein auf dem Dorfplatz stehen die Friedenseiche von 1866 und die Friedenslinde von 1871 [1, S.47]. | |
Bild 1. Der Lindenstein mit der ehemaligen Schule im Hintergrund um 1935 [2] |
Aus einer Besprechung der Ortsgruppe des Kulturbundes Sandersdorf am 02.07.1975 ist zu erfahren, wie der Lindenstein zu seinem Sockel kommt [3].
"In den letzten Zeiten blieb der Lindenstein unbeachtet liegen und versank allmählich in die Erde. Die umwälzenden Ereignisse unseres Jahrhunderts ließen ihn in Vergessenheit geraten. Für das Dorf aber ist er von großem geschichtlichen Wert und ein einmaliges Naturdenkmal. Um ihn vor dem gänzlichen Verschwinden und dem Dorf eine Attraktion zu bewahren, bemühte sich der Chronist Franz Erben, die örtlichen Organe dafür zu interessieren und ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Beim Ortsgruppenvorsitzenden des Kulturbundes Paul Blaschke fand sein Anliegen Verständnis und Gehör, der diesen Vorschlag aufgriff und den Bau eines Postaments für den Lindenstein in die Wege leitete." [3]
"Bauingenieur T. arbeitete dafür die Pläne aus. Sämtliche Arbeiten, die einen Wert von über 2000 M darstellen, wurden in eigennütziger Weise von freiwilligen Arbeitskräften geleistet." [3] Nachdem der Lindenstein auf dem errichteten Fundament 1975 seinen neuen Platz einnimmt, wird mit Bedauern festgestellt, dass dieses Ergebnis nicht gewollt war. |
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Bild 2. Der Lindenstein auf einem Fundament |
"Leider entspricht das Postament nicht den Grundsätzen für die Erhaltung von Naturdenkmälern und auch nicht den Vorstellungen des Chronisten, der den Lindenstein als schlichtes natürliches Denkmal erhalten wissen wollte, indem er lediglich die Befestigung des Untergrundes und ein Rasen- bzw. Blumenrondell vorschlug, wie diese Skizze zeigen soll." [3]
Der kulturgeschichtlichen Überlieferung dieses Findlings entsprechend wird das seit dem 31.01.1992 periodisch erscheinende Amtsblatt "Sandersdorfer Rück-Um-Vor-Schau" ab Januar 1993 unter dem Namen "Der Lindenstein" herausgegeben.
Bild 3. Der Lindenstein mit der ehemaligen Schule im Hintergrund im Jahr 2002
Die unterhalb des Lindensteins angebrachte Tafel enthält den folgenden Text:
Der Lindenstein | |
ist ein Findling, den die Eiszeitgletscher von Skandinavien bis an diese Stelle trugen. Den Namen bekam er von einer Linde, die 1795 bei dem Großfeuer am Dorfplatz mit verbrannte. Heute steht beim Lindenstein eine Eiche, die 1866 gepflanzt und "Friedenseiche" genannt wurde. 200 Jahre lang mussten die Bauern ihre Abgaben dem Klostervogt aus Brehna zum Lindenstein bringen. Hier fanden die Gemeindezusammenkünfte statt. Unsere Vorfahren konnten sich die Herkunft des Steines nicht erklären, sie ersannen die "Sage vom Lindenstein". | |
Der Bürgermeister | Ortskernsanierung 1996 |
KRUG erzählt in seiner Chronik [1, S. 53] die Sage vom Lindenstein wie folgt:
"Die Sandersdorfer und die Thalheimer Kirche, die beide große Ähnlichkeit haben, sind von zwei Brüdern erbaut. Der eine erbaute die Thalheimer, der andere die Sandersdorfer Kirche. Als beide ihr Werk vollendet hatten, wurde der Thalheimer Baumeister gewahr, dass die Sandersdorfer Kirche besser ausgefallen sei. | Zornentbrannt warf er einen mächtigen Stein (der Lindenstein später so genannt) von Thalheim aus gegen unseren Kirchturm, um diese zu zerschmettern. | |
Der Stein flog jedoch am Turm vorbei auf den Schulplatz; daselbst liegt er noch heute. Dieser Stein heißt der Lindenstein, weil er früher beschattet war von einer mächtigen Linde, welche aber 1795 durch einen Brand vernichtet wurde." |
Über das Auszahlen der Steuern auf dem Lindenstein schreibt KRUG [1, S. 53]:
"Am Lindenstein unter der Dorflinde wurden ehemals die Gemeindeversammlungen abgehalten und die Steuern auf ihn bezahlt. Hatte die Gemeinde gute Einkünfte aus Wiesen, Weide, Wasser gehabt, dann versammelten sich die berechtigten Gemeindemitglieder nach ihren Hausnummern geordnet um den Lindenstein und erhielten hier vom Dorfrichter ihre Anteile ausgezahlt. Die Herren Dorfrichter der alten Zeit, in der Rechenkunst schwach, halfen sich in der Weise, dass sie bei Hausnummer 1 anfingen und gaben dem Besitzer Nr. 1 einen Thaler oder Gulden, dann Nr. 2, 3, 4 usw., jedem aber soviel, bis sie durch waren und fingen dann wieder von vorne an. Riss der letzte Thaler oder Gulden etwa bei Nr. 9 ab, dann fing die nächste Teilung mit Nr. 10 an und so ging es auch ohne das Geheimnis des Rechnens."
Bild 4. Darbietung am Lindenstein zum Heimatfest im Juli 1936
Quellenverzeichnis:
[1] | Krug, Gustav: Chronik von Sandersdorf (Kr. Bitterfeld), Druck von Wilhelm Lauffs, Holzweissig-Bitterfeld, 1929 |
[2] | Festschrift zum Volks- und Heimatfest Sandersdorf 1939 |
[3] | Ortsgeschichte von Sandersdorf,
Bitterfelder Umweltbibliothek e. V., Chronik der Ortsgruppe des Kulturbundes Sandersdorf, Kopie |
[4] | R. Hohl (Hrsg.): Unsere Erde – Eine moderne Geologie.
Urania-Verlag, Leipzig – Jena – Berlin, 1977 |
Bilder | Bild 1: [2] Bild 2, Bild 3 und Illustration: Autor Bild 4: Gustav Pufahl, Sandersdorf, Juli 1936 |
Letzte Änderung: 18. April 2005
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