Klaus Peter Synnatzschke
Das Gelände, auf dem ab 1934 die "Vorstädtische Kleinsiedlung in Sandersdorf" entsteht, wurde vom Tagebau "Deutsche Grube" (1878 – 1934) ausgekohlt und anschließend verfüllt [1, S.126] (Bilder 1-3). Vor der bergbaulichen Nutzung gehörten große Teile dieses Geländes zum ehemaligen Rittergut Zscherndorf. Für das Kippengelände werden 1933 geologische Formation und Bodenbeschaffenheit bewertet. Die unteren Schichten sind Sand und Kies, die oberen Ton und Mutterboden. Letzterer ist leichter Ackerboden der Klasse V, gut geeignet für gärtnerische Nutzung. Das Grundwasser steht ca. 25 m unter der Geländeoberfläche. [2]
Bild 1. Lage der Siedlung zu den vergangenen Tagebauen |
Bild 2. Tagebau "Deutsche Grube" (am Horizont die Chemischen Werke)
Bild 3. Verkipptes Abbaufeld "Deutsche Grube" im Jahr 1928 (Links: Straße nach Bitterfeld)
Die Gemeinde Sandersdorf kauft dieses Gelände im Juli 1931 zwecks Anlegung von Schrebergärten, einzig und allein nur mit dem Ziel, die vielen hundert Arbeitslosen von der Straße zu bringen [2].
"Daher kommt es, daß die Gärten so abgegeben wurden, wie die Pächter sich meldeten, ohne Rücksicht darauf, ob sie Kinder hatten oder nicht. Später kam der Gedanke der Randsiedlung. Nun konnte man mit den Schrebergärtnern nicht mehr wechseln, da sie inzwischen Eigentümer ihres Gartengeländes geworden waren. [2]"
Bild 4. Der erste Spatenstich zum Anlegen von Schrebergärten im Jahr 1931 (Am Horizont links die ev. Kirche und rechts die Bitterfelder Straße)
Die Gemeindevertretung beschließt am 14. Juli 1932 zum Anlegen von 250 Kleingärten in der Gemarkung Sandersdorf ein Darlehn von 15 000,-- RM bei der Deutschen Bau- und Bodenbank in Berlin aufzunehmen. Das Darlehn ist zinslos und unter der Bedingung gewährt, dass es in 10 gleichen Jahresraten zurückgezahlt wird. [2]
Unter dem Namen "Schrebergartenverein Volkswohl e. V." Sandersdorf wird am 02.11.1932 ein Kleingartenverein gegründet, der am 7. Dezember 1932 unter Nr. 104 in das Vereinsregister eingetragen wird. Als den Verein kennzeichnende Farben sind "weiß – grün – gelb" vorgesehen. [3]
Um diese Kleingartenanlage auf verkippten Grubengelände betreiben zu können, muss von außerhalb Nutzwasser herangeführt werden. Zur "Schaffung einer größeren Nutzwasserleitung in dem unvorhergesehenen sehr umfangreich gewordenen Kleingartengelände reichte das vorerwähnte Darlehn von 15000,-- RM nicht aus, weshalb mit Schreiben der Gemeinde Sandersdorf vom 5. Dezember 1932 eine Erhöhung des Reichsdarlehns um 6 000,-- RM, also zusammen 21 000,-- RM, beantragt wurde. Diese 6 000,-- RM Darlehnserhöhung hat der Herr R.A.M. durch Bescheid des Herrn Regierungspräsidenten vom 19. Januar 1933 - I.I. 315/1b bewilligt". [2]
Aus einem Schreiben der "Mitteldeutsche Heimstätte Wohnungsfürsorgegesellschaft m. b. H." Magdeburg an den Herrn Reichsarbeitsminister vom 17. Januar 1933 zur vorstädtischen Kleinsiedlung in Sandersdorf zitiert [2]:
... "Wir haben zu Beginn des vorigen Jahres das Gelände, auf dem die vorstädtische Kleinsiedlung zur Durchführung kommt, erworben. Es war zur Auslegung von Kleingärten und zur Errichtung von Kleinstsiedlungen vorgesehen. Wir kauften das Gelände und übernahmen die Parzellierung anstelle der Gemeinde und auf deren dringenden Wunsch, die den Plan hierzu schon 1931 gefaßt hatte, ihn aber infolge der Auswirkungen der Krise vom Sommer 1931 nicht verwirklichen konnte. Für die Weitergabe der einzelnen Parzellen wurde zwischen dem Schrebergartenverein "Volkswohl" e. V. und uns ein Generalpachtvertrag geschlossen, der Schrebergartenverein dagegen schloß mit den Einzelsiedlern Unterpachtverträge. Diese Verträge enthalten die Vereinbarung einer Tilgungspacht, auf Grund deren die Einzelsiedler bei normaler Vertragserfüllung Eigentümer des Bodens werden." [2] ... "Abgesehen davon ist es der Sicherung des Verfahrens nur dienlich, wenn unter Einschaltung der Siedlergemeinschaft der Eigentumsübergang an die Einzelsiedler bis zur Fertigstellung der Bauten hinausgeschoben wird: Die Einflußnahme auf die Arbeitsleistung jedes Siedlers kann mit vermehrtem Gewicht erfolgen, solange er noch bei etwaigen Pflichtwidrigkeiten mit Verweigerung der Auflassung durch die Siedlergemeinschaft rechnen muß." [2] ... "Andererseits ist die Position, die der Siedler auf Grund des Tilgungs-Pachtverhältnisses hat, nahezu ebenso stark, als wenn er unter Eintragung des Kaufpreises mit Verzinsung zu 6% und Tilgung in zehn Jahren Eigentümer des Geländes wird. Seine Stellung ist wenigstens ebenso stark wie die eines Erbbauberechtigten." [2]
Träger des Verfahrens ist die Gemeinde Sandersdorf unter Weitergabe der Reichsdarlehen an den Schrebergartenverein "Volkswohl" e. V. Sandersdorf. Die Durchführung der Siedlung wird der Mitteldeutschen Heimstätte, Wohnungsfürsorgegesellschaft m. b. H. Magdeburg, Zweigstelle Merseburg, übertragen. [2]
Der Beginn der Errichtung der Siedlung ist auch die Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Deutschen Reich.
Der Ernennung Adolf Hitlers, Führer der NSDAP, am 30.01.1933 zum Reichskanzler folgt innerhalb kurzer Zeit die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Mit dem "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" (Ermächtigungsgesetz 22.03.1933) wird auf kommunalem Gebiet das "Führerprinzip" durchgesetzt. Der erst am 12.03.1933 gewählte Gemeinderat mit 11 Gemeindevertretern – SPD (1), KPD (4), Wirt.- nat. Arbeitsgemeinschaft (4) und Katholiken (2) – wird beseitigt. Ein Beauftragter der NSDAP bestimmt maßgeblich die Auswahl und Berufung des Gemeindevorstehers und der Beigeordneten. Anfang April 1933 hat die Gemeinde wieder den bisherigen Gemeindevorsteher Engel, 2 Schöffen und 12 Beigeordnete [2].
"Die Genehmigung der Gemeindevertretung Sandersdorf zur Aufnahme des um 6 000,-- RM – von 15 000,-- RM auf 21 000,-- RM – erhöhten Reichsdarlehns ist bisher nicht erfolgt und kann auch durch die erfolgte Auflösung derselben vorderhand nicht erfolgen. Die Angelegenheit drängt, und die Verträge mit der Bau- und Bodenbank, Berlin müssen geschlossen werden." ... "Der Beschluß der nicht vorhandenen Gemeindevertretung wird daher durch Beschluß des Kreisausschusses gemäß § 142 ersetzt und gemäß § 114 der L.G.V. vom 3. Juli 1891 und § l des Gesetzes über die Aufnahme von Anleihen usw. in den Gemeinden vom 29. Mai 1931 genehmigt." Bitterfeld, den 2. März 1933. Der Kreisausschuß des Kreises Bitterfeld. [2]
Gemeindebeschluß Verhandelt: Sandersdorf, den 7. April 1933 ... Tagesordnung: 1. pp. 2. Übernahme der Trägerschaft für 69000,-- RM Reichsdarlehn zur Errichtung von 30 Randsiedlungsbauten 3. pp. Zu Punkt 2 der Tagesordnung: Es wurde einstimmig beschlossen: "Der Herr Reichskommissar für die vorstädtische Kleinsiedlung hat durch Bescheid vom 24. März 1933 für 30 Kleinsiedlerstellen für Erwerbslose (Siedlung Mitteldeutsche Heimstätte) je 2300,-- RM, zusammen 69000,-- RM bewilligt." "Es wird ferner einstimmig beschlossen, das Darlehn aufzunehmen bzw. die Trägerschaft für dasselbe zu übernehmen. Gleichzeitig wird der Gemeindevorstand ermächtigt, den diesbezüglichen Vertrag mit der Bau- und Bodenbank A.-G., Berlin, zu vollziehen." [2]
Der Bitterfelder Landrat schreibt am 11. August 1934 an den Herrn Gemeindeschulzen in Sandersdorf: "Eine der wesentlichen Aufgaben der Gemeinden im neuen Staat muß es sein, mit dafür zu sorgen, daß den minderbemittelten arbeitenden Volksgenossen, insbesondere den kinderreichen, ausreichende Wohnungs- und Siedlungsmöglichkeiten gegeben werden, um einmal durch den Besitz eigenen Grund und Bodens ihre soziale Lage zu heben und zum anderen durch die Erträge des von ihnen zu bewirtschaftenden Landes ihren Lebensstandard zu bessern." [4] Nach dem Bewilligungsbescheid vom 27. April 1933 – WI 1413 – Siedlungsvorhaben in Sandersdorf – beträgt die Fläche der meisten Grundstücke ca. 850 m², einzelne Grundstücke bis zu 2833 m² [2]. |
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Bild 5. Parzellen |
Bedingungen, "die Siedler erfüllen müssen, um von anderen aufgegebene Garten-Parzellen, die im III. Bauabschnitt liegen, übernehmen zu können: ... III. Sobald Anwärter auf derartige Parzellen aus Parzellen mit Nr. über 120 kommen, können diese als Anwärter nur dann ernsthaft in Berücksichtigung gezogen werden, wenn sie ihren Verpflichtungen für Pacht- und Tilgungszahlung für ihre bisherige Parzelle einwandfrei nachgekommen, diese Gartenparzellen ordnungsmäßig bewirtschaftet und außerdem die erforderlichen Pflichtstunden bei der Erschließung des Geländes geleistet haben. Unter den so verbleibenden Anwärtern sollen kinderreiche Familien den Vorzug haben; selbstverständliche Voraussetzung bei allen Anwärtern ist Nachweis der Erbgesundheit." [2]
Die Siedlungshäuser werden als Doppelhäuser einheitlich nach den folgenden Vorgaben ausgeführt:
Dachgeschoss: kleine Kammer 10,86² große Kammer 12,52² zusammen: 23,38² Erdgeschoss: Wohnküche 14,05² Schlafstube 12,20² Kammer 8,20² zusammen: 34,45² Keller 15,35² [2] [5] | |
Bild 6. Zeichnung Hausquerschnitt (Braun-Pause) [5] |
Anbau: (Bild 7 und 8) Wirtschaftsraum 6,65² Abort 1,15² Stallraum 10,19² |
Die Keller werden in Beton, die Geschosse in Ziegelmauerwerk/Hohlsteine oder Hohlschicht ausgeführt. Die Dachdeckung erfolgt als hartes Dach mit holländischen Pfannen. In den Wohnräumen wird Holzfußboden verlegt, im Wirtschaftsraum und Stall wird massiver Fußboden ausgeführt. Die Versorgung mit Trinkwasser erfolgt durch Wasserleitung. Die Entwässerung geschieht als Oberflächenentwässerung. Anstatt des Abortes mit Jauchengrube wird besser das Torfmullklosett empfohlen. Anfangs erfolgt die Versorgung mit Elektrizität nur, wenn die Anschlusskosten in mäßiger Höhe liegen. [2]
Bild 7. Zeichnung Doppelhaus (Braun-Pause) – Ansicht vom Hof – Querschnitt Anbau [2]
Bild 8. Zeichnung Anbau (Braun-Pause) – Wirtschaftsraum, Abort, Stall [2]
Als Reichsheimstätte geht das Grundstück in das Eigentum des Siedlers über. Bei der Bauausführung ist Selbsthilfe – freiwilliger Arbeitsdienst – unter Leitung der Mitteldeutschen Heimstätte vorgesehen. [2]
Ferner ist die Einschaltung des Baugewerbes im vollen Umfange mit der Auflage vorgesehen, die Arbeiten durch Siedlergruppen zu unterstützen. Als Bauzeit werden anfangs 9 Monate festgesetzt, die später auf höchstens 6 Monate korrigiert werden. [2]
Die ersten Siedlerhäuser werden am Theodor-Körner-Weg (Fritz-Reuter-Str.) gebaut – 1. Bauabschnitt 1931-1932, 2. Bauabschnitt 1933-1934. Der Aushub der Baugruben wird mittels Feldbahn – Kipploren auf Schienen mit 600 mm Spurweite – in das Restloch der Grube Richard II gefahren und verkippt. [3]
Bild 9. Bauabschnitte im Theodor-Körner-Weg (Nachzeichnung)
Bild 10. Im ersten Bauabschnitt das erste Doppelhaus (Bild 2005)
Nach nebenstehender Zeichnung wurden die Giebelwände der Siedlerhäuser außen mit Holzbrettern bekleidet. Die ursprüngliche Bekleidung der Giebel ist im Jahr 2005 nur noch selten anzutreffen. [5] | |
Bild 11. Giebelseite eines Siedlerhauses |
Bild 12. Der ursprüngliche Zustand eines Siedlerhauses bis ins Jahr 2005 erhalten.
Die Gesamtkosten einer Siedlerstelle werden wie folgt kalkuliert [2]:
"Gesamtkosten einer Stelle A) Kosten der Landbeschaffung für 845 m² Kaufpreis je qm Land 0,22 RM mithin für eine Stelle 185,90 RM B) Bau- und Einrichtungskosten a) Reine Baukosten 262 m³ umbauten Raumes zu 10,78 RM für 1 m³ einschließlich des Wertes der Selbsthilfe, somit 2825,-- RM b) Nebenanlagen (Wasserleitung, Abortgruben Einfriedung, Wege, Zufahrten usw.) 175,-- RM c) Anliegerkosten, Bauabgaben, Vermessungskosten usw. 25,-- RM d) Architektengebühren, Bauleitungskosten 100,-- RM e) Baugewerksberufsgenossenschaft 25,-- RM f) Inventar (Haustiere, Obst- und Beerensträucher, Garten- und Hausgeräte, Dünger, Saatgut) 100,-- RM Bau- und Einrichtungskosten für eine Stelle 3250,-- RM"
Die Bau- und Einrichtungskosten für eine Siedlerstelle werden aufgebracht durch [2]:
a) Darlehn aus Reichsmitteln 2500,-- RM e) Wert der Selbsthilfeleistung 750,-- RM Summe 3250,-- RM
"Schließlich beträgt die Jahresbelastung einer Siedlerstelle [2]:
a) Zinsen und Tilgung für die Kosten des Grunderwerbs im Durchschnitt also 13% 22,-- RM b) Zinsen und Tilgung für das Darlehn aus Reichsmitteln 112,50 RM c) Zinsen Tilgung für das Zusatzdarlehn aus Reichsmitteln 12,50 RM e) Betriebs-, Unterhaltungs- und Verwaltungskosten 30,-- RM Jahresbelastung vom Beginn des vierten Jahres ab 177,00 RM"
Aus dem folgenden Schreiben geht die Laufzeit des Reichsdarlehens hervor [6].
Der Gemeindeschulze Sandersdorf, den 15. Mai 1934 Tgb. Nr. 1474 An Herrn Karl Sp., ... "Auf Grund des mit Ihnen abgeschlossenen Siedlervertrages haben Sie für die Verzinsung und Tilgung des Reichsdarlehens in Höhe von 2.500,- RM für die Zeit vom 1. Januar 1934 bis zum 31. Dezember 1936 jährlich 75,- RM in monatlichen Teilbeträgen von 6,25 RM und für die Zeit vom 1. Januar 1937 bis zum 31. Dezember 1977 jährlich 125,- RM in monatlichen Teilbeträgen von 10,42 RM nachträglich zum 1. des folgenden Monats an die hiesige Gemeindekasse zu zahlen." [6] ... gez. Engel
Für kinderreiche Siedlerfamilien werden Zusatzdarlehen zur Verfügung gestellt [2]:
Der Regierungspräsident Merseburg, den 27. Juli 1933 Betrifft: III. Aktion vorstädtischer Kleinsiedlung in Sandersdorf Meine Verfügung W.I. 1413 ... "Der Herr Preußische Minister für Wirtschaft und Arbeit hat für die oben genannte Kleinsiedlung für Kinderreiche Zusatzdarlehen in Höhe von 2 x 250 + 1 x 500 RM Verfügung gestellt. Die Bereitstellung erfolgt unter der Bedingung, daß a) bei Häusern, für die ein Zusatzdarlehen bis zu je 250 RM bewilligt wird, sofort ein zweiter Kinderschlafraum in einer Mindestgröße von je 8 qm ausgebaut wird. b) bei Häusern, für die ein Zusatzdarlehen von mehr als je 250,- RM bewilligt wird, sofort mindestens ein zweiter und dritter Kinderschlafraum in einer Mindestgröße von je 8 qm oder insgesamt 2 Kinderschlafräume in einer Größe von zusammen 24 qm ausgebaut werden." [2] ... Im Auftrage: gez. R a t h k e
Die Siedler können für mehrere Jahre fortlaufend zusätzlich benachbartes Acker- oder Gartenland zum Pachtpreis von jährlich ca. 80,- RM für einen Hektar pachten. Auf eine Siedlerstelle würden 1,5 bis 2 Morgen Pachtland entfallen.
Der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses in Bitterfeld teilt dem Regierungspräsidenten in Merseburg in einem Schreiben vom 15. August 1934 u. a. mit [2]:
"Aus Ersparnisgründen, also im Interesse der genannten Siedler, war es außerdem auch notwendig, die Errichtung von Doppelhäusern auf den zusammenhängenden Straßen und Parzellen vorzunehmen. Diese unvermeidliche Tatsache hat für mich selbst schon manche Besorgnisse und Ärgernisse mit sich gebracht. Erst in diesen Tagen, nachdem die 80 Siedlerstellen in baulichen Angriff genommen sind, habe ich dem Vorstande des Schrebergartenvereins "Volkswohl" mit besonderem Nachdruck die Bitte ausgesprochen, dafür besorgt zu sein, daß die Verheirateten ohne Kinder zurücktreten möchten, da noch hiesige Gartenmitglieder, die 5-6 Kinder haben und in sehr schlechten Wohnverhältnissen sich befinden, in erster Linie zu berücksichtigen wären um der Gerechtigkeit willen. Es ergaben sich dadurch aber Schwierigkeiten, da die Parzelleninhaber Eigentümer der letzteren geworden sind." ... "Sandersdorf befand sich mit rd. 1000 Unterstützungs- empfängern in größter Notlage. Ich bin glücklich, die von mir betrauten Arbeitslosen bis auf 50 untergebracht zu haben." [2]
Die weitere Bebauung der Siedlerstellen bis 1940 lässt sich aus den Eintragungen in die Gebäudesteuerrolle [7] nachvollziehen:
Jahr | Straße | Nr. |
---|---|---|
1934 | Fritz-Reuter-Str. | 1, 3, 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35, 37, 39 |
1935 | Fritz-Reuter-Str. | 4, 6, 8, 10, 12, 14, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 41, 43, 45, 47, 49, 51, 53, 55, 57, 59, 61, 63, 65, 67 |
1936 | Fritz-Reuter-Str. | 36, 38, 40, 42, 44, 46, 48, 50, 52, 54, 56, 58, 60, 62, 64, 66 |
Freiligrathstr. | 1 bis 64 | |
1938 | Friedensstr. | 21, 25, 27, 29, 31, 37, 39, 41, 43, 46, 47, 49, 51 |
1939 | Friedensstr. | 2, 4, 6, 8, 10, 12, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40 |
Goethestr. | 1 bis 25, 27, 29 bis 48, 50, 52, 54, 56, 58, 60, 62, 64 | |
Heinrich-Heine-Str. | 1 bis 21, 23, 25, 27, 29, 31, 33, 35 | |
Schillerstr. | 1, 3, 5 bis 29, 31 | |
Uthmannstr. | 1 bis 20 | |
Walther-Rathenau-Str. | 1, 4, 6, 8, 12 | |
1940 | Friedrich-Ebert-Str. | 1, 3, 5, 7, 9, 11, 18, 20, 22, 24, 26, 28, 30, 32 |
Goethestr. | 26, 28 | |
Heinrich-Heine-Str. | 37, 39, 41, 43, 45, 47, 49 | |
Mittelweg | 5, 7, 9, 11, 13, 15, 17, 19, 21, 23 | |
Bild 13. Blücherstraße 1937 – nach 1945 in Freiligrathstraße umbenannt
Bild 14. Freiligrathstraße im Jahr 2005
Die Mitteldeutsche Wohnungsbaugesellschaft m. b. H. in Magdeburg baut 1939/40 in der Friedensstraße, Heinrich-Heine-Straße und Uthmannstraße Siedlungshäuser für die "Stammarbeiter" der Chemischen Werke in Bitterfeld (IG Farbenindustrie AG). Diese Häuser – im Volksmund Alu-Siedlungshäuser oder CKB-Häuser genannt – werden nach 1945 der Gemeinde Sandersdorf übereignet. Nach Bewertung werden die Häuser um 1974 an deren Bewohner verkauft. [3] [7]
In Briefen ermahnt die Mitteldeutsche Heimstätte G. m. b. H., Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen, die Siedler:
... "Zum Schluß möchten wir Ihnen in Ihrem eigensten Interesse ans Herz legen, Ihr Haus stets in gutem Zustande zu erhalten, das Gartenland ordnungsgemäß zu bewirtschaften, sowie An-, Um- und Ausbauten nur mit unserer Genehmigung auszuführen und nicht ohne unsere Zustimmung Untervermietungen vorzunehmen." "Auf Grund unserer Trägerverpflichtung werden wir in bestimmten Abständen Besichtigungen Ihrer Siedlerstelle vornehmen." (Im Volksmund genannt die "Siedlerpolizei") [8]
Am 31. August 1940 findet im Thüringer Hof die Liquidations- und Generalversammlung des Schrebergartenvereins "Volkswohl" e. V. Sandersdorf statt. Der Schrebergartenverein "Volkswohl" e. V. wird aufgelöst und die Mitglieder in den Deutschen Siedlerbund übernommen. [3]
Neu eröffnete Geschäfte versorgen die Siedler mit den notwendigen Lebensmitteln.
Bäckermeister Herbert Haut baut 1938-1939 in der Friedensstraße 14-16 Wohnhaus und Bäckerei mit Backstube. Die Bäckerei betreibt er von 1939 bis 1973. Nach Umbau der Backstube eröffnet Konditormeister Jürgen Storbeck im Dez. 1973 die Bäckerei wieder und führt sie bis Aug. 1996 [3] |
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Bild 15. Inserat aus dem Jahr 1939 [15] |
Fleischermeister Wilhelm Held baut 1937 in der Friedensstraße 33-35 Wohnhaus mit Fleischereigeschäft, Schlacht- und Kühlhaus. Das Geschäft eröffnet er am 15. Mai 1939. Von 1946-1953 wird die Fleischerei von Albert Rietz geführt. Ab 1953 bis 1989 ist sie Konsum Vst.185 für Fleisch- und Wurstwaren. [3] Gitta Lange (geb. Held) geht 1990 mit dem Fleisch- und Wurstwarengeschäft in die Selbstständigkeit und führt es bis zur Schließung im Jahr 2000.
Bild 16. Rind- und Schweineschlächterei Wilhelm Held in der Friedensstraße 33 um 1940
1954 kauft Albert Rietz in der Friedensstraße Nr.17 ein Stück Garten und baut darauf ein Wohnhaus mit Laden. 1956 richtet er einen Lebensmittelladen ein und dieser wird als HO-Lebensmittelgeschäft Vst.-Nr. 1381 bis 1990 geführt.
1941 errichtet der Kaufmann Albert Panick ein Wohnhaus mit Laden für Kolonialwaren, Spirituosen und Gemüse am Mittelweg 1-3. Das Geschäft eröffnet er am 1.2.1942. Von 1964 bis 1977 führt Manfred Panick das Geschäft. Ulrich Wetzel übernimmt das Geschäft und betreibt es ab 18.5.1978 als Kommissionshändler der HO. Nach 1990 bietet das Geschäft als "Siedlungsmarkt Wetzel" Lebensmittel, Weine, Spirituosen, Tabakwaren, Obst, Gemüse, Pflanzen, Getränke und Zeitschriften weiterhin an. [17]
Bild 17. Das Lebensmittelgeschäft Albert Panick um 1943 | Bild 18. Der "Siedlungsmarkt Wetzel" nach wie vor im Mittelweg 1-3 |
Willy Both und Ehefrau Erna bauen 1935 in der Theodor-Körner-Straße 20 ein Wohnhaus mit Anbau [7], wo sie nur wenige Jahre einen kleinen Lebensmittelladen führen.
Ab 1953 baut Willy Both ein weiteres Wohnhaus auf dem so genannten "Dreieck" mit Eingang von der Gartenstraße. Auf diesem Gelände richtet er eine Pelztierfarm für Nutrias und später auch Nerze ein, die er bis 1973 betreibt. Von 1974 bis zur Schließung 1990 führt der Sohn Wilfried Both die Pelztierfarm. [18] |
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Bild 19. Nutria |
Bild 20. Gehege für die Nutrias
Ein Discountmarkt "Kondi" wird in der Friedensstraße von April bis Oktober 1993 errichtet. Neben diesem Markt entstehen weitere Geschäfte, eins für frische Backwaren und ein weiteres für Fleisch- und Wurstwaren. Die alteingesessenen Geschäfte können mit ihren teueren Waren nicht konkurrieren.
Die in der Siedlung angelegten Straßen werden mit Packlager, Schotter und Sand befestigt.
Bescheinigung "Der lt. Beschluss der Gemeindevertretung vom 19.1.1933 zu erhebende Straßen-Anliegerbeitrag von 1,55 RM für jedes laufende Meter Grundstücksfrontlänge bei Grundstücken der Siedler, die sich im Rahmen der vorstädt. Kleinsiedlung auf Sandersdorfer Gemarkung ansiedeln, kann in 12 Monatsraten an die Gemeindekasse abgeführt werden." Sandersdorf, den 22.2.1934 Der Gemeindevorsteher gez. Engel [2]
Erst im Zeitraum 1960 bis 1985 werden in einzelnen Straßen Bordkanten gesetzt, eine Kanalisation nur für Oberflächenwasser eingebaut, die Fahrbahn in Beton oder bituminöser Deckschicht ausgeführt, meistens selbst gefertigte Gehwegplatten von den Anwohnern im NAW oder "MachMit"-Wettbewerb verlegt.
In der Jahreshauptversammlung der Siedlersparte Sandersdorf am 29.1.1965 äußern sich Siedler zum Zustand der Straßen [3]:
Siedlerfrd. L.: "Wir Siedler haben das Gefühl, daß wir in Bezug auf Straßenrenovierung immer hintenan stehen. Unsere Kinder erkranken viel öfter, weil die Wege bei schlechter Witterung fast unbegehbar sind."
Siedlerfrd. R.: "Man müßte mal über den Rat der Gemeinde und den Rat des Kreises die verschiedenen Beschwerden an die höchsten Regierungsstellen bringen, denn wir haben vor 3o Jahren gesiedelt und müssen uns nun schon die vielen Jahre immer wieder vertrösten lassen in Bezug auf die Straßensituation damit, daß man uns sagt, es sind keine Mittel dafür da."
Bild 21. Übersichtsplan der Siedlung im Jahr 1941
Die hier um 1930 vorhandene Wohnungsnot lässt sich auszugsweise mit folgenden Schreiben belegen:
An die Gemeinde-Verwaltung Sandersdorf In der Anlage übersenden wir eine Verhandlung mit unserem Mitglied, dem Kameraden Michael D. zur gefl. Kenntnisnahme und Befürwortung. Da es sich hier scheinbar um einen Notfall handelt, bitten wir wenn irgend möglich dem Anliegen des Kameraden stattzugeben, zumal es sich um einen Frontkämpfer handelt. Mit ... D. ist eine Kleinsiedlerparzelle von mir "kostenlos" überwiesen worden. S. 10/10.34 [4] gez. Engel |
Verhandlung "Vor dem unterzeichneten Obmann erscheint unser Mitglied, der Kamerad Michael D., Sandersdorf, und gibt an: Meine Familie besteht aus 6 Köpfen, meine Frau und ich und 4 Kinder im Alter von 7 - 12 Jahren. Außerdem habe ich noch meinen Bruder bei mir wohnen, da derselbe bei meinem hochbetagten Vater (75 Jahre alt) nicht unterkommen kann. Ich wohne z. Zt. in dem der Gemeinde gehörigen Wohnhaus, Adolf Hitler Str. Nr. 19 und habe 2 Zimmer, in denen die genannten Personen wohnen und schlafen. Wie ich in Erfahrung gebracht habe, zieht der dort ebenfalls wohnende Mieter Aug. S., der auch 2 Zimmer bewohnt, nach Fertigstellung seines Wohnhauses aus. Ich bitte nun darum, für mich bei der Gemeindeverwaltung darum anzutragen, daß mir die von S. bewohnten 2 Zimmer noch zu meiner Wohnung zugeschlagen werden, denn so wie ich jetzt wohne, ist es bald nicht mehr möglich, zumal ich noch in absehbarer Zeit die Niederkunft meiner Frau erwarte." gez. ... den 5. Sept. 1934 [4]
Verhandelt, Sandersdorf, den 20.9.1934 Freiwillig erschienen: 1. der Arbeiter August M., 9 Kinder im Alter von 3 - 20 Jahren, 2. der Arbeiter August S., 4 Kinder im Alter von 4 - 15 Jahren und erklären: "Wir sind Siedler in der vorstädtischen Kleinsiedlung beim II. Bauabschnitt in Sandersdorf. Unsere Heimstätten sind bereits fertiggestellt. Wir haben 9 bzw. 4 Kinder im Alter von 3 - 20 bzw. 4 - 15 Jahren und gelten somit als Kinderreiche. Aus diesem Grunde stellen wir hiermit den Antrag, daß im Obergeschoß unseres Grundstückes ausgebaut wird. Da wir in 3 bis 4 Wochen einziehen wollen und die Innenarbeiten im Hause bis dahin vollkommen erledigt sein sollen, bitten wir um beschleunigte Behandlung unseres Antrages." [4] v. g. u.
Herrn Gemeinde-Schulzen hier. "Nachdem ich bereits mit Ihnen Herr Gemeinde-Schulze gesprochen habe, worauf Sie sich vielleicht noch entsinnen werden, so möchte ich Sie nochmals bitten sich meiner Sache anzunehmen. Es handelt sich hier um die 220 Mk. zum größer bauen in der Siedlung, da ich selbst dies nicht aufbringen kann. Unsere Siedlungsbauten schreiten gut fort, daher in nächster Zeit vielleicht schon mit den Arbeiten an meinem Keller angefangen wird, möchte ich Sie bitten, dies zu berücksichtigen. Ich habe 4 Kinder, erwarte alle Tage die Niederkunft meiner Frau. Das wäre das fünfte Kind. Es würde bei mir sehr enge hergehen. Wo doch die Kinder immer größer werden. Der Staat ist doch bestrebt gesunde Wohnungen zu bauen. Sollte es in diesem Falle keine Mittel oder Wege geben dies möglich zu machen. Bitte Herrn Gemeinde-Schulzen nochmals mir in dieser Angelegenheit bald einen Bescheid zukommen zu lassen." Otto H. Mit freundlichem Gruß hier Bitterfelder Straße .. Sandersdorf, den 18. November 1934 [2]
Sozial schwache oder obdachlose Familien können ein Behelfsheim erwerben, das jeweils auf einer größeren Parzelle errichtet wird, auf der sie Obst und Gemüse anbauen und Kleintierhaltung betreiben können. Die spätere Übereignung dieses Grundstücks mit "Wohnlaube" wird ermöglicht.
Der Preußische Minister für Berlin W.9, den 20. Sept. 1933 Wirtschaft und Arbeit Sofort Betrifft: Errichtung von Not- und Behelfswohnungen im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms "Auf Grund des §1 des Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 1933 werden Arbeitsschatzanweisungen bereitgestellt, um die Errichtung von Not- und Behelfswohnungen zur Unterbringung wohnungsloser Familien zu ermöglichen." ... "In den Vordergrund zu rücken ist der Bau einfachster Flachbauten mit Gartenzulage, etwa nach Art verbesserter Wohnlauben. Dadurch wird die obdachlose Familie schlechten Einflüssen entzogen und wieder in gesunde Verbindung mit dem Boden gebracht. Zugleich wird ihr durch die Betätigungsmöglichkeit bei der Erstellung der Bauten und später im Garten ein neuer Lebensinhalt geboten." ... [2]
Das Behelfsheim sollte ein behelfsmäßiges Heim und kein Wohnhaus sein. Um die Herstellung möglichst schnell und kostengünstig zu realisieren, wurde die Größe mit 5,1 x 4,1 m bei einer mittleren Raumhöhe von 2,50 m festgelegt. Kasernenmäßige Baracken oder ähnliche provisorische Bauten sollten jedoch nicht gefördert werden. In Bezug auf Baustil und Materialien orientierte man sich an den örtlichen Gegebenheiten.
Der Vorsitzende des Kreisausschusses Bitterfeld teilt dem Herrn Gemeindevorsteher in Sandersdorf am 10. November 1933 u. a. Folgendes mit:
"Aus den mir bisher vorgelegten Anträgen habe ich ersehen, daß es mit Hilfe eines Darlehens von 1000 RM je Wohnung durchaus möglich ist, Gebäude zu erstellen, die das Barackenmäßige nicht nur im Grundriß, sondern auch im Aufbau und in der Bauweise vermeiden und bei denen eine spätere Zusammenlegung oder Erweiterung der Behelfswohnungen durch Ausbau des Steildaches zu normalen Dauerwohnungen ohne wesentliche bauliche Änderungen leicht möglich ist." [2]
In der Schillerstraße – von der Rathenaustraße bis Mittelweg –
werden von 1932-1933 vorerst "Wohnlauben" (Behelfsheime) gebaut.
Am Waldesrand (östlich) werden von 1944 bis 1945 zwei Doppelhäuser mit Dachziegel
bedecktem Satteldach gebaut. Im gleichen Zeitraum werden die Häuser 3,4 und 5
errichtet. Da die Dachziegel gestohlen wurden, bekommen diese Häuser ein Flachdach.
Die weiteren Häuser 6, 7 und 8 werden nur noch mit Betonspannplatten und
Flachdach als Behelfsheime ausgeführt. Um 1970 werden einige Behelfsheime
erweitert und ausgebaut, andere abgerissen und durch massive Wohnhäuser ersetzt.
[3]
Bild 22. Behelfsheim nach baulichen Veränderungen (Bild 2005)
Bis in die letzten Wochen vor Ende des II. Weltkrieges werden noch Genehmigungen zur Errichtung von Behelfsheimen erteilt, um die wohnungslosen Menschen aus den zerbombten Städten unterzubringen. Der Bau dieser Behelfsheime sollte von einzelnen privaten Bauherren in Selbst- und Gemeinschaftshilfe getragen werden. |
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Bild 23. Skizze auf der Rückseite des Schreibens der Mitteldeutsche Heimstätte G.m.b.H. vom 6. Januar 1945 zum Einverständnis der Errichtung eines Behelfsheimes |
Mitteldeutsche Heimstätte G. m. b. H. Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen Magdeburg, Domplatz 7 16.3.1945 Herrn Siedlungsgemeinschaftsleiter Seiffert Sandersdorf Betr.: Behelfsheimbau Friedrich N. "Auf Ihr Schreiben vom 28.2.1945, das infolge der augenblicklichen Verhältnisse verspätet bei uns eingegangen ist, teilen wir Ihnen mit, daß wir damit einverstanden sind, wenn Herr N. das geplante Behelfsheim 14,80 m von der Straßenflucht mit Satteldach und Traufstellung nach der Straßenseite auf die Nachbargrenze von S. zu errichtet. Die Behelfsheimtiefe muß allerdings 4,80 m (nicht 4,90 m) betragen, weil dieses Maß anderen Siedlern an der gleichen Straße bereits aufgegeben wurde. Auch wegen der Dachneigungen und der Giebel- und Geschosshöhe müßte sich N. nach den Höhen der übrigen Behelfsheime richten." [3]
Unmittelbar nach dem Ende des Krieges werden ab Sommer 1945 zur Minderung der Wohnungsnot weitere Behelfsheime gebaut. Diese Behelfsheime werden von den Bauwilligen in Eigenleistung auf bisher unbebauten Grundstücken errichtet. [3]
Zitiert aus dem Protokoll
Besprechung am 6.8.1945 mit der Mitteldeutschen Heimstätte Magdeburg:
Besprechungspunkt 1. Unbebaute Grundstücke Scharnhorststr. (24 Stellen) "Auf Grund der vorliegenden Wohnungsnot hat der Bürgermeister von Sandersdorf angeordnet, 24 Siedlerstellen in der verlängerten Scharnhorststr. mit Behelfsheimen in der Form der Wirtschaftsgebäude, wie sie von der Mitteldeutschen Heimstätte vorgesehen sind, (Bautyp Neumann) und nach deren Zeichnungen zu bebauen. Auf Grund des Materialmangels darf nur mit bereits vorhandenem Material gebaut werden. Ein Siedler kann nur eine Parzelle inne haben und bebauen. Inhaber des Behelfsheimes muß die Wohnung selbst bewohnen. Diese Parzellen sollen vorwiegend von Sandersdorfern belegt werden. Die Belegung der Parzellen bestimmt der Bürgermeister." [3]
In der Versammlung der Siedlergemeinschaft Sandersdorf am 22.9.1945 wird festgelegt:
"Unbebaute Parzellen in der Schillerstraße sollen bis zum 1.10.1945 abgeerntet sein, da jetzige Anlieger Vorbereitungen für den Bau von Behelfsheimen treffen wollen." [3]
Das Konzept vom Siedlungshäuschen mit dazugehörigem Nutzgarten hat seinen Ursprung in der Gartenstadtarchitektur am Ende des 19. Jahrhunderts. Der soziale Siedlungsbau, der in den Jahren um 1925 mit der Errichtung von sogenannten Erwerbslosensiedlungen – zur Behebung der Not von Volk und Reich – beginnt, wird unter den Nationalsozialisten weitergeführt. Den Nationalsozialisten dient der Siedlungsbau als Instrument der Indienstnahme des Volkes im Sinne der nationalsozialistischen Politik und Ideologie. In diese Zeit fällt die Errichtung der Siedlung in Sandersdorf. Das Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit der gemachten Versprechungen ist unübersehbar. Die Anzahl und der Standard (Größe des Wohnraumes für kinderreiche Familien, Entsorgung des Abwassers und der Fäkalien, Ausbau der Straßen, u. a.) der errichteten Häuser bleibt weit hinter den Bedürfnissen der Siedler zurück. [9]
Wie durch nationalsozialistische Propaganda und Ideologie die Siedler, ihre Notlage ausnutzend, unter Druck gesetzt werden, wird exemplarisch an den folgenden Dokumenten auszugsweise gezeigt. Die Durchsetzung des "Führerprinzips" wird besonders an der befehlsgemäßen Abfassung der Schriftstücke erkennbar.
In der Anlage "Kleingärtner und Kleinsiedler unter nationalsozialistischer
Führung" aus dem Jahr 1933 wird berichtet:
"Nach vollzogener Gründung hat der Reichsbund der Kleingärtner und
Kleinsiedler Deutschlands e. V. Berlin, seine Arbeit aufgenommen. Bei dem
1. Reichskleingärtner- und Kleinsiedlertag in Nürnberg sind von dem vorläufigen
Führer des Reichsbundes, Pg. Dr.Kammler, Ziel, Aufgaben und Organisationen des
Reichsbundes vor der breiten Öffentlichkeit verkündet worden." [2]
... "Zunächst werden die Verbände, Bünde, Organisationen und Vereine - die in den Reichsbund aufgenommen werden - entsprechend dem Führerprinzip eingegliedert. Die einzelnen Mitglieder dieser Organisationen werden sodann mit den Aufgaben des Reichsbundes vertraut gemacht, die darin bestehen, das Kleingarten- und Kleinsiedlungsland nach dem Darrè'schen Gedanken von Blut und Boden als Verpflichtung zu Volk und Staat in der Idee » Gemeinnutz geht vor Eigennutz « zu nutzen." ... "Während die Mitglieder des ehemaligen Reichsverbandes der Kleingartenvereine Deutschlands e. V. bereits zusammengefaßt und in den Reichsbund überführt sind, sind die Kleinsiedler noch nicht erfaßt, sondern zum großen Teil in verschiedene Bünde, Verbände und Vereine zersplittert. Diese zusammenzuschließen und im Reichsbund einzugliedern, ist die Arbeit der nächsten Zeit." ... "Es wird erwartet, daß sämtliche Kleinsiedler-0rganisationen sich dem Reichsbund anschließen und sich sofort mit dem Stadtgruppenführer, ..., dessen zwecks Aufnahme in den Reichsbund in Verbindung setzen." ... "Jeder, der das Wirtschaftsgebiet Halle-Merseburg kennt, weiß wie schwierig gerade hier die Durchführung der Kleinsiedlung ist. Aber jeder, dem das Wohl seines Volkes am Herzen liegt, muß an diese Aufgabe herangehen, denn es gilt den deutschen Menschen, insbesondere den deutschen Arbeiter - der im vergangenen System zum Proletarier gemacht worden ist - wieder an seine Heimat zu binden, und damit wieder zum vollwertigen, deutschen Menschen zu machen." [2]
Am 09.05.1933 unterstellt sich der "Schrebergartenverein Volkswohl e. V." dem Reichsbund der Kleingärtner und Kleinsiedler Deutschlands e. V." - Die für hier zuständige Stelle des Reichsbundes ist [3]:
Der Siedler wird vertraglich zur Mitgliedschaft verpflichtet:
... §9 "Die für die Gesamtsiedlung erforderlichen Gemeinschaftsanlagen führt der Schrebergartenverein "Volkswohl" e. V. aus und erhält und betreibt sie. Aus diesem Grunde verpflichtet sich der Siedler, Mitglied des Vereins "Volkswohl" e. V. mit allen Rechten und Pflichten zu sein, solange er Eigentümer der Stelle ist. Für den Fall der Veräußerung hat er diese Verpflichtung auch seinem Rechtsnachfolger aufzuerlegen." Sandersdorf, den 26. 3. 1934 Schrebergartenverein "Volkswohl" e. V. Sandersdorf [6]
Die Gemeinde, am Anfang Träger der Siedlung, fordert von den Siedlern folgendes Anerkenntnis ein [2]:
Der Gemeindevorsteher Sandersdorf, den 15. Mai 1933 An alle Siedler der Randsiedlung Sandersdorf Anerkenntnis Die unterzeichnenden Randsiedler erkennen hiermit an, daß sie von dem Gemeindevorsteher als Vertreter von der Gemeinde Sandersdorf folgende Anweisungen erhalten haben: 1. Alle Beschwerden, ganz gleich, gegen wen sie zu führen sind, ob gegen Personen oder eine Sache, überhaupt soweit es die Siedlung betrifft, sind an die Gemeinde Sandersdorf, die die Trägerin der Siedlung ist, schriftlich zu richten. 2. Ohne Zustimmung der Gemeinde bzw. des Vertreters desselben und zwar des jeweiligen Gemeindevorstehers können Beschlüsse der Randsiedler überhaupt nicht gefasst werden. 3. Der Obmann Rostalski gilt als solcher von mir wieder eingesetzt und nimmt seine Funktionen nach wie vor wahr. Falls Beschwerden gegen ihn vorzubringen sind, so sind diese schriftlich bei dem Gemeindevorsteher anzubringen. 4. Wer als Friedensstörer unter den Siedlern festgestellt wird, wird rücksichtslos ausgeschlossen und zwar ohne jede Entschädigung für seine geleistete Arbeit an seinem Siedlungshause.
Von den umstehenden Anweisungen haben wir Kenntnis genommen: (Es folgen 16 Unterschriften) [2]
Bild 24. Verkündungsblatt der NSDAP im Kreis Bitterfeld vom Februar 1937
Das Winterhilfswerk fordert besonders von den Vereinen bei Veranstaltungen Spenden zu sammeln. Folgendes Schriftstück belegt die dafür werbende nationalsozialistische Propaganda.
Bild 25. Winterhilfswerk 1941
Der Ortsgruppenleiter der NSDAP, Pg. Rudolf Trepte, begleitet vom 3.1.1935 bis zum 27.4.1941, seinem Weggang aus Sandersdorf, auch die Funktion des Vereinsleiters "Schrebergartenverein Volkswohl e. V." bzw. ab 15. Juni 1938 des "Siedlerverein e. V." (DSB). [3]
Der Ortsgruppenleitung für Propaganda der NSDAP müssen alle Veranstaltungen und die zur Aufführung kommenden Programme rechtzeitig zur Genehmigung vorgelegt werden.
Bild 26. Anmaßung und Befugnis des Ortsgruppenleiters der NSDAP
In der Führerring-Sitzung des "Siedlerverein e. V." (DSB) am 3. Sept. 1941 wird angeordnet:
4.) "Schriftwart Z. hat der Gaugruppe die Nichtmitglieder zu melden. Diese sollen im Einvernehmen mit der "Mitteldeutschen Heimstätte" weiter gemeldet werden, damit eventuell das Reichsdarlehn gekündigt werden kann (Ausschluss)." [3]
Gelegentlich wird mit Bedauern festgestellt, dass zu viele Siedler in Streit geraten. Exemplarisch werden hier zwei Fälle beschrieben.
"Durch die Gemeinde Sandersdorf ist in den Straßen der Randsiedlung in größeren Mengen Straßenbauschotter angefahren worden, damit nach Eintritt besserer Witterung die Straßen der Siedlung in Ordnung gebracht werden sollten." [5]
Übereifrige bauwillige Siedler, 41 an der Zahl, verbringen große Mengen dieses Schotters auf ihre Grundstücke, um auf den Zufahrten und Höfen einen festen Untergrund anzulegen. Die Gemeinde erstattet Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. [5]
An 7. 3. 1940 die Staatsanwaltschaft Halle/ Saale. ... "Der Ankauf bzw. Anfahrt des betreffenden Bauschotters war für die Gemeinde Sandersdorf mit erheblichen Unkosten verbunden. Wie festgestellt wurde, fehlten von dem angefahrenen Material eine erhebliche Menge, welche von den Bewohnern der Siedlung zur Planierung ihrer Eingänge bzw. der Höfe entwendet worden war. Wie im Beisein des Polizeiwachtmeisters Wagner der hiesigen Polizeirevierzweigstelle, des Bauaufsehers Möller und des Gemeindegärtners Naumann an Ort und Stelle festgestellt wurde, haben nachfolgende Personen Straßenbauschotter in erheblicher Menge gestohlen: ... Ich erstatte hiermit gegen die Vorgenannten Anzeige wegen Diebstahl und beantrage gleichzeitig, daß die betreffenden Personen der Gemeinde gegenüber Schadenersatz leisten. Der Wert des Schotters, den jeder einzelne sich angeeignet hat, beträgt durchschnittlich 7,-- RM" 15. 3. 40 gez. Engel [5]
Die Mitteldeutsche Heimstätte äußert sich in einem Schreiben an den Gemeinschaftsleiter der Siedlung zum Ansinnen der Erhöhung einer Hofmauer [3].
Mitteldeutsche Heimstätte G.M.B.H. Unsere Zeichen Kei/Re. Tag 8.Dezember 1942. Abt.: V Akte: MS. 230 Betrifft: Kleinsiedlung Sandersdorf, 85 Stellen, Ms.230. "Dem Wunsche der Frau H, auf Erhöhung der Hoftrennmauer, weil sie Streit mit ihrem Nachbar hat, vermögen wir nicht zuzustimmen. In Sandersdorf streiten sich leider soviel Siedler miteinander, daß wir zuletzt um jedes Haus eine hohe Mauer haben würden, damit keiner mehr den andern sieht. Wir halten ein derartiges Verfahren absolut für verfehlt. Wir würden es eher begrüßen, wenn in solchen Fällen die zuständigen Organe des DSB ganz energisch durchgreifen und für die Wiederherstellung friedlicher Zustände in der Siedlung besorgt sind. Es ist doch beschämend, daß jetzt im Kriege die Siedler nicht soviel Gemeinschaftsgeist aufbringengen können, daß sie wenigstens mit ihren Nachbarn in Ruhe und Frieden leben. Wir erwarten bestimmt, daß hier Wandel eintritt ohne, daß es notwendig ist, deshalb Hofmauern zu erhöhen." [3]
Die Siedler werden mit dem Besitz eigenen Grund und Bodens verpflichtet, das Gartenland ordnungsgemäß so zu bewirtschaften, dass sie mit den Erträgen ihren Lebensstandard verbessern können. Eine Gartenanlage auf verkipptem Grubengelände betreiben zu können, das bis auf ca. 25 m unter der Geländeoberfläche entwässert wurde, ist nur möglich, wenn Wirtschaftswasser zur Bewässerung von außerhalb zugeführt wird. Anfangs kommt das Wirtschaftswasser von der Mulde, zuletzt aus dem Restloch "Richard II", in das gleichzeitig ungeklärtes Abwasser aus der Siedlung gelangt. Letzten Endes darf das mit Abwasser hoch belastete Wirtschaftswasser nicht mehr zur Berieselung der Gärten verwendet werden.
Der Kreisausschuß des Kreises Bitterfeld (4. Juli 1933) und das Regierungspräsidium (9. April 1934) beschließen zur Gründung einer Wassergenossenschaft (Auszug) [2].
"... Die Siedler sind verpflichtet, zwecks Deckung ihres Bedarfs an Wirtschaftswasser sich einer zu bildenden Wassergenossenschaft zur Wirtschaftswasserversorgung anzuschließen. Für die Wirtschaftswasserversorgung sind bereits mit Zustimmung der Siedler die erforderlichen Schritte zur Bildung einer Wassergenossenschaft zur Wirtschaftswasserversorgung der gesamten Siedlung eingeleitet. Das erforderliche Wasser wird von der Muldewasserleitung der I.G. Farbenindustrie vom Anschluß Deutsche Grube zur Verfügung gestellt." ... [2]
Der Regierungspräsident Merseburg, den 9. April 1934 An den Herrn Gemeindevorsteher in Sandersdorf Beschluss! "Der Kreis Bitterfeld wird für verpflichtet erklärt, binnen 6 Monaten für die Wirtschaftswasserversorgung der Siedlung einen Träger zu schaffen. Er hat sich mit der I.G. Farbenindustrie, Wolfen, zwecks Einräumung des Rechts, Wirtschaftswasser in beliebiger Menge aus der Muldeleitung der I.G. Farbenindustrie, Wolfen, zu entnehmen, in Verbindung zu setzen." [2] ...
Nach Abschluss des Wasserlieferungsvertrages vom 21. April 1934 wird der Rohrstrang des Schrebergartenvereins Volkswohl e. V. Sandersdorf an die von der Wassergenossenschaft Deutsche Grube – Zscherndorf verlegte Muldewasserleitung angeschlossen. Im Sommer 1934 wird festgestellt, dass ohne Wissen und Genehmigung des Vereins "Volkswohl" und der Gemeinde Sandersdorf, der Kleingartenverein Zscherndorf für seine Anlage und die Gemeinde Zscherndorf für ihr Bad Wasser in großen Mengen aus der Rohrleitung entnehmen. Die Minderung des Druckes ist zeitweise so gewaltig, was besonders an heißen Tagen durch starke Wasserentnahme geschieht, daß die Sandersdorfer Schrebergärtner ihre Leitung nicht zum Bewässern benutzen können. [13]
Die Liquidations- und Generalversammlung am 31.August 1940 des Schrebergartenvereins e. V. Volkswohl Sandersdorf legt zur Wasserversorgung fest [3]:
... 3. Gründung einer Wassergenossenschaft e. V. im Siedlerbund a) Mitgliedschaft, Rechte und Pflichten b) Vertragskündigung bzw. Abänderung mit Zscherndorf c) Entgegennahme des Wasserlieferungsvertrages mit der IG Farbenindustrie
In den Mitgliederversammlungen der Siedlergemeinschaft nehmen die Angelegenheiten "Wassergenossenschaft" und die eigene Anlage für Wirtschaftswasser über Jahrzehnte einen wichtigen Platz ein.
Aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung der am 15.03.1952 [3]:
"Koll. Othma erklärte, falls wir uns der Wassergenossenschaft anschließen, hätten wir jährlich 7,- DM Wassergeld zu zahlen. Koll. K. lehnte den Anschluß an Zscherndorf ab. Die Kollg. B. und C. stellen den Antrag eine eigene Anlage zu erstellen." ... [Leiter,
VKSK-Mitglieder zahlen bis 1986 für das Wirtschaftswasser jährlich 3,50 Mark, Nichtmitglieder 7,00 Mark. [12]
1957 bezieht die Siedlung vom EKB z. B. folgende Mengen Muldewasser [3]:
Juli 1954 m³
Oktober 276 m³ ≡ 6,-- Mark
Für 100 m³ 2,20 Mark + Wassermessermiete 5 Mark im Monat.
Aus dem Arbeitsplan der Siedlersparte Sandersdorf 1961 [3]:
1. "Zur Erreichung unserer Gartenerträge in der gesamten Siedlung wird die Neulegung der Muldewasserleitung in der Uthmann-, Friedrich-Ebert-Str., die Eigenheime der Heinrich-Heine-Straße und des Mittelweges durchgeführt." 2. "Zur gleichmäßigen und besseren Wasserversorgung wird der Bau eines Pumpenhauses realisiert."
In der Rechenschaftslegung der Siedlersparte Sandersdorf wird am 5.2.1962 mitgeteilt, dass das EKB kein Muldewasser mehr an die Siedlung liefern wird [3].
... "Als jüngst die für die Siedlung notwendige eigene Pumpenanlage fertig gestellt ist (im Restloch der Grube Richard II), wird nun vom EKB mitgeteilt, daß noch in diesem Jahr die Siedlung mit dem Entzug des Muldewassers rechnen muß. In Anbetracht der Erweiterung der Produktionsanlagen im EKB und der sich daraus ergebenden Wasserknappheit, kann die Abgabe von Muldewasser an die Siedlung nicht mehr gewährleistet werden." [3]
In der Rechenschaftslegung der Siedlersparte Sandersdorf am 14.3. 1963 [3]:
... "Nun liebe Siedlerfreunde fehlt es nur noch an der nötigen Mitarbeit, dann können wir sagen, es wurde etwas geschafft, was sich viele Siedler schon seit langem erträumt haben: Nämlich eine eigene Wasserleitung.
In der Jahreshauptversammlung der Siedlersparte Sandersdorf am 29.1.1965 wird zu den Wasserrohrbrüchen festgelegt [3]:
... "Unter diesen Punkt gehört auch die Aufstellung einer Reparaturkolonne für Wasserrohrbrüche. Jeder Anwohner ist verpflichtet, seinen Rohrbruch selbst zu beseitigen, zumindest bei den Ausschachtungsarbeiten tatkräftig zu helfen. Das Reparieren der Rohre übernehmen dann Fachleute, die von der Sparte bezahlt werden."
Die Jahreshauptversammlung der Siedlersparte Sandersdorf am 29.1.1965 vermerkt über die Fertigstellung der Anlage für Wirtschaftswasser [3]:
"Unser größtes und wichtigstes Problem konnten wir im Jahr 1964 realisieren. Unsere Wasseranlage konnten wir fertigstellen. Das alles klingt heute so einfach und schlicht, wieviel Mühe, Arbeit, Beschaffungssorgen stecken dahinter. Wieviel Fehlschläge mußten überwunden werden und was uns als Leitungsmitgliedern die größten Kopfschmerzen bereitete, waren die "Helfer", die uns trotz vieler Bekanntmachungen im Stich ließen. Wieviel mehr Dank müssen wir heute denen aussprechen, die zu jeder Arbeit zur Stelle waren und ihre persönlichen Wünsche weit hinter die Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit stellten."
Rohre für die Wirtschaftswasserleitung werden in der DDR Privatkunden im Handel nicht angeboten. In den umliegenden Betrieben bemüht man sich gebrauchte Rohre zum Schrottpreis erwerben zu können. Diese abgenutzten Rohre, in die Wirtschaftswasserleitung der Siedlung eingebaut, verursachen viele Rohrbrüche.
Siedlersparte 4413 Sandersdorf, d.12.7.1966 Sandersdorf M. Jost, Vors. An die Werkleitung des VBB Braunkohlenwerkes "Einheit" Bitterfeld Betr.: Ankauf von ausgebauten Rohren aus der Brikettfabrik I "Die Siedlersparte Sandersdorf bittet die Werkleitung des VEB Braunkohlenwerkes "Einheit" Bitterfeld um die käufliche Überlassung – zum Schrottpreis – von ca. 1300 m Rohren, wie sie z. Zt. aus den Kohlentrocknern Ihrer Brikettfabrik I ausgebaut werden und einen Außendurchmesser von 102 mm haben. Wir benötigen diese Rohre dringend zur Erfüllung unserer ökonomischen Leistungen gegenüber unserem Arbeiter- und Bauernstaat, denn wir müssen 3 Straßenzüge und zwar ihre Gärten mit Gebrauchswasser versorgen. Wir würden der Werkleitung recht dankbar sein, wenn sie uns in unseren Bemühungen ... " [3]
Bild 27. Das Braunkohlenwerk "Einheit" Bitterfeld verkauft an die Siedlersparte gebrauchte Rohre
Aus einer Informationsvorlage des Rates des Kreises Bitterfeld vom 20.01.1982 geht u. a. hervor [11]:
Die Wohnhäuser in dieser Siedlung, ebenso in der angrenzenden Siedlung Sandersdorf, wurden in den vergangenen Jahren modernisiert. So wurden Bäder und Spülaborte installiert, und die dabei erhöht anfallenden häuslichen Abwässer in den Grundstücken versickert. Auf Grund der in den vergangenen Jahren starken Niederschläge und der Versickerung der häuslichen Abwässer kommt es zu häufigen Kellervernässungen.
In dem Bericht "Zustand des ländlichen Abwasserprogramms" stellt Bürgermeister Bieder am 16.2.1987 fest, dass lediglich die Siedlung mit 1217 Einwohnern noch nicht an das öffentliche Kanalsystem angeschlossen ist. Die Oberflächenentwässerung in diesem Bereich wird durch ein gemeindeeigenes Kanalsystem vorgenommen. Dieses Wasser wird in die Grube Richard II abgeleitet. [11]
In einem Maßnahmeplan zur Erlangung des Titels "Wasserwirtschaftlich vorbildlich arbeitendes Territorium" vom 3.8.1988 wird zum Gebrauchs- und Abwasser in der Siedlung ausgeführt (auszugsweise) [10]:
... "In der Siedlung wird das Abwasser in der Regel in Klärgruben in den Wohngrundstücken geklärt, das geklärte Abwasser wird z. T. Sickergruben direkt oder über Straßeneinläufe (Regenwasserkanal) der Grube Richard II, zugefuhrt." ... "In der Siedlung (WB III) sind noch rund 3700 m Abwasserrohr zur Entsorgung von 350 Haushalten zu verlegen." ... "Derzeitig fließt noch ein großer Teil des Abwassers aus der Siedlung Sandersdorf direkt von den Anliegern bzw. über Straßeneinläufe in das Restloch Richard II." ... "Zur Berieselung der Gärten in den Siedlungen Sandersdorf und Zscherndorf wird Wasser aus dem Restloch Richard II gepumpt. Auf Grund der ständigen Abwasserbelastung ist dies nicht mehr statthaft. Es ist daher ein Umbau der Wasserhaltung in das Restloch Richard I vorzunehmen, um das benötigte Wasser hier zu pumpen. Die Rohrleitung ist um ca. 500 m zu verlängern." [10]
Bürgermeister Bieder schreibt am 9.6.1989 an den Rat des Kreises Bitterfeld [11]:
"In Vorbereitung der Kommunalwahlen zum 7. Mai 1989 wurden wir in verschiedenen Versammlungen unserer Siedlung kritisch darauf aufmerksam gemacht, daß die Bürger mit dem Entsorgungsrhythmus für Klärgrubenentleerung nicht zufrieden sind." "Viele Haushalte sind nicht am Kanalsystem angeschlossen und erhalten wegen der Ableitung des Abwassers in ein Grubenrestloch auch in den nächsten 5-4 Jahren keine Möglichkeit." "Es gibt undisziplinierte Bürger, die oft unbeobachtet ihre häuslichen Abwässer in den Rinnen der Siedlungsstraßen ablaufen lassen und dadurch auch umweltbelastend wirken." ... Wir sind von den Einwohnern des genannten Wohngebietes gefordert, die Möglichkeiten der Abfuhr durch das DLK so zu erbitten, daß nach Bedarf Anmeldungen öfter möglich sind." [11]
Im Restloch "Richard I" wird noch das Bauwerk zur Aufnahme der Installation für die Pumpe errichtet. Dieses Vorhaben wird aber infolge der politischen Wende 1989/90 eingestellt und damit die Versorgung der Siedlung mit Wirtschaftswasser nicht mehr aufgenommen. [12]
Mit dem Ausbau der Straßen in der Siedlung (1991 bis 1997) werden die Grundstücke an die öffentliche Kanalisation angeschlossen.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges findet die erste Besprechung mit der Mitteldeutschen Heimstätte Magdeburg, Domplatz 7 (z. Zt. Louisenschule) am 6. August 1945 statt. Zu Unrecht vertriebene Siedler können ihre Parzelle wieder erwerben. [3]
Besprechungspunkt 4. Wiedererlangung der Siedlerstellen von folgenden Siedlern: Lehmann, Fuchs, Strecker, Wittig, Spindler. "Über die Rückführung der damals zu Unrecht entfernten Siedler aus ihren Siedlerstellen haben wir beschlossen, die Entscheidung dem Herrn Bürgermeister zu überlassen" [3]
Besprechungspunkt 6.
In der Siedlung werden 30000 Dachziegel zur Beseitigung von Kriegsschäden
gebraucht, für deren Beschaffung noch keine Aussicht besteht. [3]
Sandersdorf, den 29.12.1945 An Mitteldeutsche Heimstätte Halle /Saale Töpferplan 1-2 Betr.: Schadensmeldung in der Siedlergemeinschaft Sandersdorf Am 14.12.1945, um 23.00 Uhr, ereignete sich durch Explosion eines Sprengkörpers, welche auf dem Kippgelände der Deutschen Reichsbahn Sandersdorf abgeladen waren, an unseren Siedlerhäusern zum Teil größerer Gebäudeschaden. Ich werde nun für die 11 Siedlerkameraden, welche noch nicht aufgelassen sind die Reparaturkosten-Rechnung Ihnen zusenden. Siedler-Obmann [3]
Das von der SMAD erlassene Verbot von Vereinen betrifft auch den Deutschen
Siedlerbund. Aus der Gemeinschaftsleitung des Siedlervereins müssen
nationalsozialistisch belastete Funktionäre ausscheiden. Anschließend formiert
sich ein Vorstand durch kommissarisch eingesetzte Mitglieder neu. Ab Mai 1945
wird Otto Seiffert vertretungsweise als Siedlerobmann eingesetzt.
Er vermittelt bei den die Siedlung betreffenden Fragen
wie Auflassung der restlichen Siedlerstellen, Beschaffung von Baumaterial und
Saatgut, Bau von Behelfsheimen, Zinsen, Tilgungsraten und Inkasso der laufenden
Kredite, usw.
In Sachsen-Anhalt schließen sich die Kleingärtner und Siedler am 20. Juli 1947
zum "Landesbund für Kleingärtner und Siedler" zusammen. Von nun an ist hier das
Siedlungswesen eng mit den Kleingärtnern verbunden. Bei der ersten Wahl des
neuen Vorstandes der Siedlung in Sandersdorf wird Otto Seiffert am 5. Mai 1948
zum Vorsitzenden gewählt. [3] [14]
Die Mitteldeutsche Heimstätte G. m. b. H., Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen – Zweigstelle Halle (Saale), verpflichtet die Käufer von Grundstücken zum Hausbau [3].
Dr.W/B 1.10.1946 H 31 ... "Jeder Reichsheimstätter verpflichtet sich, auf dem von ihm erworbenen Grundstück ein Kleinsiedlerhaus (Kleineigenheim) zu dem Zeitpunkt zu errichten, zu dem die bauwirtschaftlichen Verhältnisse es gestatten. Sie haben sich dabei nach den Richtlinien der Mitteldeutschen Heimstätte G. m. b. H. zu richten und sich der Betreuung der Heimstätte zu ..." [3]
Im Rechenschaftsbericht der Jahreshauptversammlung der Siedlergemeinschaft Sandersdorf am 6. Januar 1950 wird mitgeteilt, dass die Siedlergemeinschaft im vergangenen Jahr von 500 qm Gartenfläche Tabak geerntet hat [3].
Mit der Gründung des VKSK (Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter – Gründungskongress am 28. und 29. November 1959 in Leipzig) entsteht eine neue einheitliche Organisation. Der Verband versteht sich als eigenständige demokratische Massenorganisation, die sich zum Sozialismus in der DDR bekennt. An die Stelle des herkömmlichen Begriffs "Verein" tritt für die unteren Einheiten im offiziellen Sprachgebrauch die Bezeichnung "Sparte". In der Arbeitsentschließung werden die Vorstände darauf orientiert, in den Sparten ein vielfältiges demokratisches Leben zu entfalten und mit Hilfe des Wettbewerbes die Erträge aus den Gärten und der Kleintierzucht weiter zu steigern. [14, S.10-12]
Der Kreisverband des VKSK ist seinen Mitgliedern auch bei der Materialbeschaffung über die Bäuerliche Handelsgenossenschaft (BHG) behilflich.
Siedlersparte Sandersdorf, den 27.6.1965 Sandersdorf An den Kreisverband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter Betr.: Rundschreiben vom 9.5.1965 – Punkt I Die Siedlersparte Sandersdorf bestellt für 1965: 50 Ztr. Zement 40 Ztr. Kalk 2000 Klinker für Schornsteinbau 1000 Mauersteine 100 m Wasserrohr Ø 1 Zoll 6 Stück Bohlen 3 cm stark für Schornsteineinrüstung 5 Stück Schornsteinschieber gez. Jost Vorsitzender [3]
Wie überall sichert die SED ihre personelle Mehrheit auch im Vorstand der Siedlersparte. 1962 gehören von den 8 Mitgliedern im Vorstand 5 der SED und 1 der CDU an, 2 sind parteilos. In den Berichten über neu gewählte Vorstände (Meldebogen) wird die Parteizugehörigkeit der Vorstandsmitglieder angegeben. [3]
Auch im Vorstand der Siedlersparte steht die der SED konforme politische Arbeit und Propaganda an erster Stelle. Rechenschaftsberichte der Siedlersparte beginnen mit politischen Referaten. Politische Propaganda und Argumentation werden von oben nach unten durchgereicht. Zum Verständnis nun folgende Auszüge:
"Unsere heutige Jahreshauptversammlung steht im Zeichen des Kampfes für die Sicherung und Erhaltung des Friedens, und unsere ganze Kraft gilt dem Sieg des Sozialismus in unserem ersten Arbeiter- und Bauernstaat in Deutschland. Wie ernsthaft die Sicherung und Erhaltung des Friedens gerade jetzt geführt werden muß, erweisen erneut die letzten Ereignisse in unserer Hauptstadt Berlin, wo die Bonner Ultras mit Duldung des westberliner Brandtsenats ..." [3, Rechenschaftslegung der Siedlersparte Sandersdorf am 05.02.1962]
"Hinter uns liegt ein großes welthistorisches Ereignis: Der VI. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands im Januar ds. Jahres. Durch diesen Parteitag wurde die Rolle der Arbeiterklasse wieder deutlich klargelegt. Für viele Delegierte waren diese Tage die bedeutsamsten ihres Lebens und werden allen Beteiligten unvergeßlich sein. Beweist doch dies, daß im ersten deutschen Arbeiter- und Bauern-Staat die Arbeiter, Bauern gemeinsam mit den Geistesschaffenden und Genossen die Regierung des Staates fest in ihre Hand genommen haben." ... [3, Rechenschaftslegung der Siedlersparte Sandersdorf am 14.03.1963]
Jeder Quadratmeter Gartenland wird intensiv für den Anbau von Gemüse, Obst und Futterpflanzen genutzt. Die Siedlergärten ermöglichen eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung, und die Erzeugnisse daraus werden für die Versorgung der Bevölkerung benutzt. Es gibt zwar keine Produktionsauflagen wie für landwirtschaftliche Betriebe, aber auf den Parteitagen der SED wird betont: "Auch in Zukunft wird die individuelle Produktion der VKSK-Mitglieder unterstützt, sie ist auf Dauer ein fester Bestandteil der volkswirtschaftlichen Bilanzen". Dabei geht es besonders um das Schließen von Versorgungslücken bei Früh- und sogenannten Edelgemüsen wie Gewächshausgurken, Paprika, Tomaten und allen Sorten Beeren. Aber auch Weißfleisch und Eier sind gefragte Erzeugnisse. Unter dem Motto "Ein produktiver Garten ist ein schöner Garten" orientiert der Zentralvorstand alle Mitglieder im Wettbewerb, von 100 qm Gartenland mindestens 100 kg Gemüse oder Obst zu erzeugen. [14, S.9 u. 16]
Zur Wichtigkeit der Gärten wird in der Rechenschaftslegung der Siedlersparte Sandersdorf 1963 gesagt [3]:
"Und weil wir gerade in dem Zentrum der Chemie wohnen und von unseren Gärten die Schornsteine sehen, deshalb liebe Siedlerfreunde, müssen wir uns mehr an die Gärten halten. Es ist unser Ausgleich zur Arbeit und so wie wir dort unseren Mann stehen, müssen wir es auch in unserer Siedlersparte tun."
Über das ganze Jahr 1978 verhandelt und streitet sich der Spartenvorstand mit verantwortlichen Leitern des CKB über die unzumutbare Stickoxidbelastung (Säurefabrik, Abgase vom Turm 13, usw.) ohne merkliches Ergebnis [3].
Mitteilung an den Kreisvorstand:
Sandersdorf, d.27.07.1965 An den Kreisvorstand der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter Bitterfeld "1. Die Siedlersparte Sandersdorf hat nach dem Stand vom 25.07.1965 einen Mitgliederstand von 190 2. Die bewirtschaftete Fläche beträgt pro Siedlerstelle rund 220 m². Daraus ergibt sich eine Gesamtfläche von 220 m² x 190 = 41800 m² " (4,18 ha) ... [3]
Bild 28. Leistungsbericht der Siedlersparte 1963 (Ausschnitt)
Über die Ablieferung von Hühnereiern wird auf der Jahreshauptversammlung der Siedlersparte am 18.02.1964 berichtet [3]:
... "Danach wurde auf die Eierablieferung hingewiesen und erläutert, daß es Eierablieferungskarten gibt, worauf die Spartenmitglieder für 5 Eier 1 kg Hühnerfutter bekommen. Anhand dieser Eierkarten kann am Jahresende die Eierablieferung konkret festgestellt werden." [3]
In der Zeit zwischen 1967 und 1979 gibt es in der Siedlung knapp 150 Hühnerhaltungen [3].
Die niedrigen Kosten für Sämereien, Wasser, Energie und Dünger, sowie günstige Aufkaufpreise veranlassen die Siedler zum Anbau von Gemüse und Obst über den eigenen Bedarf hinaus. Die Handelsbetriebe sind angewiesen, zu jeder Zeit die von den Kleingärtnern und Siedlern angebotenen Erzeugnisse zu Festpreisen, die teilweise über den Verkaufspreisen liegen, aufzukaufen. Die Differenz zahlt der Staat als Subvention. Ein besonderes Ziel im Wettbewerb ist es, eine möglichst große Anbaufläche für Frühgemüse unter Glas und Folie zu schaffen. [14, S.17]
Über den Anbau von Gemüse in Folienzelten wird im Rechenschaftsbericht der Siedlersparte Sandersdorf vom 24.02.1966 geschrieben [3]:
"zu Punkt 2 - Anbau von frühen und wertvollen Gemüsen Wer durch unsere Siedlung geht, muß feststellen, daß in den meisten Gärten Frühbeete oder Folienzelte angelegt waren und was so einzelne Siedler darunter geerntet haben, das läßt sich schon hören. Hoffentlich können wir in Zukunft eine Erweiterung der Folienzelte feststellen. Was an Frühgemüse unter den Zelten geerntet wird, braucht nicht aus dem Ausland eingeführt zu werden, wir sparen Devisen und stärken unseren Arbeiter- und Bauernstaat." [3]
Der Aufkauf von Gemüse, Beeren und Obst findet während der Erntezeit wöchentlich zweimal statt. Die Küchen der Kindergärten und Schulen des Ortes werden von der Siedlersparte direkt beliefert. [12]
Kaninchen können lebend an einer eigens dazu eingerichteten Sammelstelle zum Verkauf abgegeben werden. Für 1 kg Lebendgewicht bekommt der Ablieferer in der ersten Güteklasse 12,20 Mark und einen Gutschein zum Erwerb von Kraftfutter. [14, S.18]
Von 1953 bis 1988 findet fast in jedem Jahr ein Wald- und Siedlerfest ("Buschfest") auf dem von 1951 - 1953 eingerichteten Festplatz am Wäldchen statt. Dieses Gelände, das dem CKB gehört, liegt südlich dem Wäldchen an der Bitterfelder Straße, nördlich der Friedensstraße, östlich der Straße "Am Waldesrand" und westlich der Straßenmeisterei. Die Siedlerfamilien und die vielen auswärtigen Gäste vergnügen sich bei Tanz, Laternen-, Winzer- und Kinderfest. Am 29.und 30.9.1979 findet im Saal "Thüringer Hof" eine Ausstellung und Leistungsschau der "Sparten und Siedler" statt. [3]
Bild 29. Siedlerfest |
Der Festplatz wird in den Jahren zu einem kleinen Kulturpark ausgebaut.
Der Musik-Pavillon ist vorerst ein Zeltdach auf einem gemauerten Podest. Stühle
und Tische werden vom Kleingartenverein "Volkswohl" ausgeliehen. Festzelt und
Bierausschank werden von der HO gestellt. Auch die Verkaufsstände bringen HO und
Konsum mit.
1953 werden Pavillon und Tanzfläche weiter ausgebaut.
1969 erhält der Festplatz einen elektrischen Anschluss.
1970-1971 wird ein Geräteschuppen 5m × 8m mit Vordach und Einzäunung gebaut.
Am 15.4.1978 wird eine zum Festplatz neu verlegte Wasserleitung angeschlossen. [3]
Bild 30. Musik-Pavillon | Bild 31. Im Kuturpark am Wäldchen |
Ab 1983 beginnen Ausbau und Rekonstruktion des Kulturparkes am Wäldchen in
Zusammenarbeit mit der Nationalen Front des Wohnbezirks-Ausschuss III. Es werden
2700 Stunden mit einem Wert von 27000 Mark geleistet. Der Musik-Pavillon
wird ausgebaut und massiv erweitert. Tisch- und Sitzelemente aus Beton werden
aufgestellt. Ein Fahrradstand wird im April/Mai 1985 gebaut. Zwei neue Bungalows
werden 1986 und weitere zwei 1987 aufgestellt.
Von April - Mai 1987 wird die Holzbaracke versetzt.
1988 wird am Einlass ein Kassenhäuschen gebaut. [3]
1974-1975 wird eine Gedenkstelle "Zu Ehren des 30. Jahrestages der Befreiung vom Hitlerfaschismus 1945-1975" erbaut, ein Rosengarten gestaltet und am 8.Mai 1975 eingeweiht. Auch die Siedlersparte spendet Rosen für die Gedenkstelle. [3]
Mit dem Bebauungsplan "Am Wäldchen" wird ein Neubaugebiet für Einfamilienhäuser (11/1992 - 04/1996) und eine Grundschule (12/1992 - 09/1994) erschlossen. Der Kulturpark der Siedler verliert damit seine Existenz.
In der DDR findet kein Neubau von kompletten Siedlungen statt. Im Rahmen des Anfang 1970 beschlossenen Wohnungsbauprogrammes entstehen auf bisher nicht bebauten Parzellen der Siedlung Eigenheime, z. B. in der Uthmannstraße von 1954 - 1973 8 Eigenheime (Nr. 22 bis 36). Einige Häuser werden ausgebaut und aufgestockt. Auch die Anbauten werden zu Wohnungen umgebaut und dabei vergrößert. [3] [14, S.21-22]
Am 19. Juni 1975 tritt das Zivilgesetzbuch der DDR in Kraft. In dessen Folge
werden das Bürgerliche Gesetzbuch und das Reichsheimstättengesetz außer Kraft
gesetzt. Für die Siedlung als "Heimstättensiedlung" entsteht damit eine völlig
neue Rechtslage. Während bis dahin der Siedlervorstand eng mit der
Heimstättenverwaltung zusammenarbeitete und vor Ort deren Interessen, besonders
beim Eigentumswechsel und baulichen Veränderungen mit wahrnahm, ist das nun
nicht mehr möglich. Der Rat des Bezirkes Halle legt für die unteren
Genehmigungsbehörden fest:
"Der Verkauf von Siedlungsgrundstücken ist grundsätzlich in Abstimmung mit den
Kreis- und Spartenvorständen vorzunehmen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit
zwischen den Organen der Wohnungspolitik, den Außenstellen des
Liegenschaftsdienstes, den staatlichen Notariaten und den Kreisvorständen des
VKSK". [14, S.21]
Der Veteranen-Klub (Rentnerstützpunkt) des Wohnbezirkes III der Nationalen Front wird vom 31.3.1978 - 27.4.1979 für 100000 Mark in der Friedensstraße (neben der Straßenmeisterei) errichtet und am 1. Mai 1979 feierlich eingeweiht. Die Bauarbeiten werden zum größten Teil von der Jugendbrigade des CKB Bitterfeld unter der Leitung des Lehr-Obermeisters Gerhardt Weißwange durchgeführt. Auch Mitglieder der Siedlersparte Sandersdorf und einige andere Siedler beteiligen sich am Bau.
Bild 32. Veteranen-Klub (Rentnerstützpunkt) | Bild 33. Vergnügen der Volkssolidarität am 22.10.1986 |
Das Haus steht allen gesellschaftlichen Organisationen, Parteien und der NF für Veranstaltungen offen. Älteren Bürgern wird für 35 Pfg. ein Mittagessen gereicht. Sie können sich zum geselligen Beisammensein in diesem Haus aufhalten. Vierteljährlich findet ein Tanzabend statt. Die nach 1990 von der Siedlersparte beantragte Übernahme des Objektes wird verwehrt, in der nachfolgenden Zeit gelangt das Haus in privaten Besitz. [3] [12]
Bild 34. In diesem Haus befand sich von 1979 - 1990 der Veteranen-Klub
Am 7. Juli 1990 findet in Berlin der Verbandstag zur Gründung des "Verbandes
der Garten- und Siedlerfreunde e. V." (VGS) statt. Dieser Verband kann die
Interessen der Siedlervereine nicht vertreten, da das Kleingartengesetz aufgrund
der Eigentumsverhältnisse für die Siedler nicht zutrifft. Auf dem Verbandstag,
am 27. Oktober 1990 in Berlin, fasst der VKSK den folgenden Beschluss:
"Der Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter wird
gemäß §41 und §74 des BGB mit Wirkung vom 31. 12. 1990 aufgelöst".
In Sachsen-Anhalt vereinigen sich die Siedler am 30. Juni 1991 zu einem
Landesverband, der am 4. Oktober 1991 in den Deutschen Siedlerbund aufgenommen
wird, einem einheitlichen gesamtdeutschen Verband, wie er bis 1945 bestand.
[14, S.26-29]
Die "Siedlergemeinschaft Sandersdorf e. V." (V-Nr. 110) wird wieder gegründet und vereinigt mit dem Vorsitzenden Dieter Jost im Jahr 2005 63 Mitglieder. [12]
Da der Fernseh- und Rundfunkempfang für die mehr als 300 Haushalte in der Siedlung (Wohnbezirk 3) aufgrund der umliegenden Industrie in der Qualität sehr unterschiedlich ist, erwägt die VKSK-Siedlersparte die Errichtung einer Gemeinschaftsantenne. Der Aufwand für Material und Kosten einer Antenne für jedes Haus soll den Siedlern erspart bleiben. Die Antennengemeinschaft (Vorsitzender Gerhard Rust) wird im Dezember 1984 gegründet. Träger der Antennengemeinschaft ist die VKSK-Siedlersparte. Der erste Antrag auf Genehmigung einer Gemeinschaftsantenne für den Fernseh- und UKW-Rundfunkempfang wird am l. Aug. 1985 an den Rat der Gemeinde Sandersdorf gestellt, weitere Anträge an die Deutsche Post und an den Rat des Bezirkes Halle folgen. [16]
Bild 35. Genehmigung der Deutschen Post vom 23. Juni 1986
Die Deutsche Post fordert, dass die Kabel in der Erde zu verlegen sind. Der VEB RFT-IV Rundfunk und Fernsehen Halle projektiert die Antennenanlage und übergibt im Oktober 1987 die Projektunterlagen der Antennengemeinschaft. Im April 1990 wird die vom VEB Industrievertrieb RFT Halle – Antennenbau Dessau – mit einem Kostenaufwand von etwa 240000 Mark installierte Antennenanlage übergeben. Neben Rundfunkprogrammen können nun die Fernsehprogramme DDR I und II, ARD I und III, ZDF, RTL und SAT 1 empfangen werden. Für jeden Hauptanschlussteilnehmer betragen die Anschlusskosten 650 Mark. Für 1990 ist ein Jahresbeitrag von 20 Mark zu zahlen. Die Umstellung auf Satellitenempfang wird vorbereitet und die Freigabe zum Betrieb von der Deutschen Post zum 26.09.1990 erteilt. Bei der Inbetriebnahme der Anlage am 26.09.1990 sind 312 Wohnungseinheiten angeschlossen. Nach der "Wende 1990" wird die Anlage technisch erneuert, insbesondere die Verstärker werden ausgetauscht. Auch ein Kanal für die Verbreitung regionaler Informationen wird eingerichtet. [16]
1996 wird der ursprünglich 18 m hohe Antennenmast gekürzt und mit einer
neuen Arbeitsbühne ausgestattet. |
|
Bild 36. Empfangsstation in der Friedensstraße im Jahr 2005 |
Seit 1990 ist im Überfluss das gewünschte Material rund ums Haus im Angebot, das die Siedler anregt, ihre Häuser je nach den finanziellen Möglichkeiten zu erneuern. Die Dächer werden neu eingedeckt und erhalten eine Wärmedämmung. Mauerwerk wird saniert und trocken gelegt, bauliche Veränderungen oder Erweiterungen vorgenommen. Die Fassaden werden mit wärmedämmendem Material verkleidet. Farbige Anstriche lösen das "Einheitsgrau" ab. Fenster mit höherer Wärmedämmung werden eingebaut. Umweltfreundliche Öl- oder Gasheizungen, teilweise mit Nutzung der Sonnenenergie, lösen die veralteten Kohleheizungen ab. Veraltete Sanitär- und Elektroinstallationen werden erneuert. Je nach Bedarf nutzen die Siedler ihre Gärten als Nutz- und/oder Erholungsgärten. Auf den Grundstücken sammeln die Siedler Regenwasser und nutzen es zum Gießen oder zum Füllen ihrer naturnahen Gartenteiche.
Bild 37. Aufgestocktes und saniertes Doppelhaus in dem ursprünglichen Winkelhaustyp
1991 beginnt in der Siedlung der Ausbau der Straßen. Alle Häuser werden an die Abwasserkanalisation angeschlossen. Versorgungsleitungen für Elektroenergie und Telekommunikation werden meist unterhalb der Straße verlegt.
Straßenausbau | Beginn | Übergabe |
---|---|---|
Goethestraße | 10/1991 | 04/1992 |
Mittelweg, erster Teilabschnitt | 10/1991 | 04/1992 |
Fritz-Reuther-Straße | 04/1992 | 10/1992 |
Gartenstraße/Zscherndorfer Str. | 09/1992 | 12/1992 |
Heinrich-Heine-Straße | 07/1993 | 12/1993 |
Freiligrathstraße | 12/1993 | 08/1994 |
Uthmann-Straße/Friedrich-Ebert-Straße | 05/1995 | 11/1995 |
Schillerstraße/Walther-Rathenau-Straße | 05/1995 | 11/1995 |
Mittelweg, zweiter Teilabschnitt | 08/1995 | 12/1995 |
Friedensstraße | 07/1996 | 04/1997 |
Mit dem Abschluss der Bauarbeiten in der Friedensstraße sind am 02. Mai 1997 die Straßen in der "alten Siedlung" komplett saniert. Die gesamte Siedlung wird verkehrsberuhigter Bereich. Dementsprechend sind die Straßen ohne Borde mit grauen und roten Betonsteinen gepflastert. Auf frei gehaltenen Flächen werden Sträucher und Bäume gepflanzt.
Das vom Landtag beschlossene Gesetz für Kommunalabgaben mit seinen Gebührensätzen sind eine völlig neue Erfahrung für die Eigenheimbesitzer im Osten Deutschlands. Solche hohen Gebühren für Trink- und Abwasser, Straßenausbau und Müllentsorgung kannten sie bisher nicht. Damit kamen Kosten bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit auf sie zu. [14, S.31]
Richard Leiter (* 9.11.1913 † 14.05.1991) überliefert in seinen handschriftlichen Aufzeichnungen zahlreiche Daten und Ereignisse aus Sandersdorf. Viele Jahre war er Schriftführer der Siedlersparte. Aus dieser Zeit bewahrte er eine große Anzahl Schriftstücke. Mit den in seinem Nachlass reichlich vorhandenen Mitteilungen wurde die oben stehende Abhandlung in dieser Ausführlichkeit erst möglich.
Abkürzungen und Bezeichnungen
Nationalsozialismus 1933-1945 | ab 1945 |
---|---|
Gartenstraße | Gartenstraße |
Siedlerweg, Friedensstraße | Friedensstraße |
Theodor-Körner-Weg | Fritz-Reuter-Straße |
Blücherstraße | Freiligrathstraße |
Steinstraße, Freiherr vom Stein-Straße | Goethestraße |
Scharnhorststraße | Schillerstraße |
Ludendorffstraße | Uthmannstraße |
Mackensenstraße | Heinrich-Heine-Straße |
Litzmannstraße | Walther-Rathenau-Straße |
Kluckweg | Friedrich-Ebert-Straße |
[1] | J. Sudhoff: Der Braunkohlenbergbau um Sandersdorf. Chronik des Braunkohlenbergbaues im Revier Bitterfeld. Herausgeber: Bitterfelder Bergleute e. V. 1998 |
[2] | Vorstädtische Kleinsiedlung Sandersdorf 1933-1934, Gemeindearchiv Sandersdorf, AKZ 231 |
[3] | Richard Leiter, Sandersdorf, Nachlass |
[4] | Bau von Kleinwohnungen (Eigenheimen), Eigenheimsiedlung, 1934. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 60 |
[5] | Siedlungswesen Mitteldeutsche Heimstätte 1937, 1941. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 59 |
[6] | Schrebergarten Volkswohl e. V. 1934, 1936. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 61 |
[7] | Abschrift der Gebäudesteuerrolle der Gemeinde Sandersdorf v. 15.06.1911, Bd. I, Gemeindearchiv Sandersdorf |
[8] | Genehmigungen gemäß §4 des Gesetzes über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten 1941. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 63 |
[9] | Anna Teut: Architektur im Dritten Reich – Der soziale Wohnungsbau |
[10] | Maßnahmeplan zur Erlangung des Titels "Wasserwirtschaftlich vorbildlich arbeitendes Territorium" vom 3.8.1988. Wasser und Abwasser Sandersdorf, allgem. Schriftverkehr, Gemeindearchiv Sandersdorf, AKZ 663 |
[11] | Wasser und Abwasser Sandersdorf, allgem. Schriftverkehr, Gemeindearchiv Sandersdorf, AKZ 663 |
[12] | D. Jost, Sandersdorf |
[13] | Wirtschaftswasserversorgung Schrebergarten 1934-35. Landkreis Bitterfeld, Archiv, Bestand Sandersdorf, Signatur 62 |
[14] | R. Schilling: Zur Geschichte des Siedlungswesens auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Herausgeber Deutscher Siedlerbund e. V.. Gesamtverband für Haus- und Wohneigentum, Neefestraße 2a, 53115 Bonn |
[15] | Festschrift zum Volks- und Heimatfest, Sandersdorf 1939 |
[16] | Akten im "Kulturverein Siedlung Sandersdorf e. V.", Vorsitzender Klaus Merke |
[17] | U. Wetzel, Sandersdorf |
[18] | M. Bernhardt, Sandersdorf |
Bildnachweis | |
Bild 1 | [1, S.126] |
Bild 2, 3, 4 | G. Volk, Sandersdorf |
Bild 5, 7 ,8, 9 | [2] |
Bild 6, 11 | [5] |
Bild 10, 12, 14, 18, 22, 34, 36, 37 | K.P. Synnatzschke, Sandersdorf |
Bild 13 | W. Otte, Sandersdorf |
Bild 15 | [15] |
Bild 16 | G. Lange, Sandersdorf |
Bild 17 | U. Wetzel, Sandersdorf |
Bild 19, 20 | M. Bernhardt, Sandersdorf |
Bild 21 | Gemeinde Sandersdorf |
Bild 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33 | R. Leiter, Sandersdorf |
Bild 35 | Akten im "Kulturverein Siedlung Sandersdorf e. V.", Vorsitzender Klaus Merke |
Letzte Änderung: 23. Juni 2006
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