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Karsta Synnatzschke

Federzeichnung im Text: Eva-Maria Bergmann, Leipzig 2003

Wildwuchs

»Was wären wir, wenn wir nicht das kleine Fußvolk im Lande hätten,
das seine eigenen Wege geht.«

Veröffentlicht in der Anthologie
Das Gedicht lebt!
Band 4 ISBN 3-8301-0563-0
edition fischer
im R. G. Fischer Verlag

Bindung

Zusammen wächst
was zusammen gehört.
Nur das!

Es stößt sich ab
was sich stört.

Unrast

Intervalle der Gefühle,
heißes Streben
selten Kühle
manchmal Müdigkeit.

Und nur still
dazwischen Sorge,
ob das Persönliche
auch gut gedeiht.

Der Seele Frieden
ist verloren
bis auf
unbestimmte Zeit.

Demokratisches Versehen

Mancher Einzelne,
der nicht fähig ist
zum Frieden,
befehligt
alle Friedlichen.

Ausweg

Ein besitzkrankes
Land zu regieren,
verlangt Visionen,
das Ist zu abstrahieren.

In dem Raum außerhalb
der Wirklichkeit
ist von Glück bis
Unglück alles bereit.

Den realen Weg
zieren satte Spötter.
Es blähen sich die
selbsternannten Götter.

Überfülle hält den
Lebensraum besetzt.
Zu lange schon
ward sich daran ergötzt.

Das Einfache läßt
den Gedanken Platz.
Hier liegt der Kern
für einen Neuansatz.

Arbeits-Verhältnisse

Arbeit wird ein Unwort,
bedeutet Zwang.
Es verfolgt uns
ein Leben lang.

Wir könnten tätig sein
je nach Bestimmung,
stellten Gewinner
nicht die Bedingung.

Geld und Gesetze
nützen als Waffen
Arbeitsplätze
abzuschaffen.

Nicht Für noch Wider
haben ein Recht darauf.
Ein Staatsziel
bräche Türen auf.

Bevor man den Mangel
an Arbeit erfand
kannten wir kein
verbotenes Tun im Land.

Wirklich ist vom Nichtstun
niemand betroffen.
Arbeitslos wird
man nur gesprochen.

Not

In den
Kleinstadtstraßen
Kraftfahrzeuge gasen.
Kind im Wagen sitzt.
Es hatte Fieber
und es schwitzt.
Auspuff dröhnt
genau daneben,
das Kind muß von
dem Ausstoß leben.
Bei der Ecke
rotes Licht,
Vorfahrt fehlt
Diesel schwelt
kringelt sich
zu dem Kleinen
ins Gesicht.
Der Übeltäter
sitzt geschützt,
die Mutter
mit dem Wagen
flitzt,
um dem Zustand
zu entrinnen
ein leider
erfolgloses Beginnen.

Nachtleben

Morgenlicht löst die Konturen der Nacht.
Die Welt wird gegenständlich.
Der Mensch erwacht.
Alles Un-Natürliche
wird nun in Betrieb genommen,
viel zu viel haben wir
im Tageslicht dazugewonnen.
Unsere Sinne werden verschlissen,
Handlungen in Stücke gerissen.
Fühlen möchten wir und können es nicht.
Bis die Dunkelheit
mit vielem wieder bricht.
Sie bringt dem Wesentlichen Licht.

Wahrnehmung

Ich höre die Zeit.
Sie ist jetzt
oder weit.
Geht ohne Uhr.

Sie kommt aus der Stille
in einem Laut der Natur,
bewegt sich im Hall
aus endlicher Ferne.

Die Zeit höre ich gerne.
Was war kommt so nah.
Nur einen Atemzug lang
ist es da.

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