Klaus Peter Synnatzschke
Heimatfeste sind dem Brauchtum und der Geschichte verpflichtete, regional typische Feste, die meistens eine lange Tradition besitzen. Volksfeste beziehen sich auf kirchliche Feste oder auf den Beginn einer Jahreszeit und werden in den Dörfern unterschiedlich gefeiert. Einige Volks– und Heimatfeste entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte aus einem Jahrmarkt. An diese Tradition knüpfen die am Rande des Festplatzes und Festzeltes gelegenen Verkaufsstände an.
Für Sandersdorf werden bisher das Erntefest von 1934 und die Heimatfeste von 1936, 1939 und 1957 genannt. Von den Heimatfesten 1939 und 1957 sind auch die Programme und Festschriften [1] [2] überliefert. Sicher wurden vor 1936 auch schon Heimatfeste gefeiert, aber bisher nicht nachgewiesen. Das folgende Bild zeigt einen Festzug von vor 1932 in der Ramsiner Straße (Haus Nr. 16). Der auf diesem Bild erkennbare Schornstein der Saftfabrik wird am 5. Februar 1932 abgerissen.
Foto: G. Pufahl |
Foto: K. P. Synnatzschke |
Der "Sandersdorfer Weihnachtsmarkt" findet seit 1993 alljährlich am 2. Adventwochenende am Rathaus statt. In den letzten Jahren wird dieser auch zunehmend von Einwohnern aus den umliegenden Orten besucht. Weihnachtlich geschmückte und beleuchtete Stände für Händler und Schausteller, Bühne, nostalgisches Karussell, Kindereisenbahn, Schießstand, Losbude, Trödelmarkt u. a. werden um das Rathaus aufgestellt. Chöre, Sandersdorfer Musikverein, Schlagerstars, Musikgruppen, Tanzgruppen, Humoristen, u. a. bieten auf der Bühne den Besuchern ein abwechslungsreiches Programm dar. Die Kinder werden vom Weihnachtsmann beschenkt, sie können am Füllen der Nikolausstiefel teilnehmen und sich in der Mal– und Bastelstraße beschäftigen. |
Foto: K. P. Synnatzschke |
Die Festschrift zum Volks– und Heimatfest 1939 in Sandersdorf [1] enthält einen Leitfaden zur Geschichte des Ortes, den KRUG aus seiner "Chronik von Sandersdorf" [3] erstellt. Nationalsozialistische Politik und Ideologie durchzieht die Festschrift. Das "Prinzip von Befehl und Gehorsam" einer "Volksgemeinschaft", der jeder zugeführt werden soll, wird propagiert.
Das Gemeindewappen wird in der Festschrift [1] wie folgt beschrieben:
. . . "das vom Staatsarchiv Magdeburg für unsere Gemeinde entworfene Gemeindewappen, und ein mit der Spitze nach unten gekehrtes Dreieck (das Licht) auf schwarzem Grunde (die Kohle). An dem Dreieck sehen wir oberhalb das Symbol des Bergmanns, Hammer und Schlegel. Darunter ein Seeblatt, wie es auch im Wappen des Kreises Bitterfeld enthalten ist. Dieses Seeblatt befindet sich ebenfalls im Wappen der Stadt Brehna. Sandersdorf gehörte laut Urkunde aus dem Jahre 1374 (Staatsarchiv Weimar) von 1373 – 1531 als Lehen dem Kloster zu Brehna an. Aus diesem Grunde ist das Seeblatt auch in unser Wappen eingefügt worden."[1] |
Im Jahr 1957 feiern die Einwohner von Sandersdorf an den Tagen 31. Mai bis 3. Juni ein großes Heimatfest, das unter dem Leitsatz "800–Jahrfeier der Gemeinde Sandersdorf" steht. [4]
Der urkundliche Beleg für 800 Jahre wird nicht erbracht!
In der Chronik der Ortsgruppe Sandersdorf des Deutschen Kulturbundes wird darüber berichtet [4].
"Die Anregung zu dieser Feier gab der außerordentlich rührige Schulleiter Direktor Siegfried Kittler. Unter seiner Oberleitung führte die Gemeindeverwaltung diese seltene und schöne Feier im Rahmen des Ortsfriedensrates erfolgreich durch. Einen wesentlichen Anteil an der Vorbereitung und Durchführung übernahm der Ortskulturbund. Hierbei erwarb sich sein Vorsitzender, Bf. Blaschke, große Verdienste. Welch umfangreichen Arbeiten die Durchführung und mehr noch die Vorbereitungen erforderten, ist aus nachstehenden Angaben ersichtlich:"
Für die Monate April/Mai 1957 wird vermerkt:
"Eifrigste Vorbereitungen der 800–Jahrfeier Sandersdorfs.
Kulturbund und Gemeindekulturkommission wetteifern dazu.
Um das Interesse der Gemeindemitglieder an der Geschichte
ihres Heimatortes zu wecken, veröffentlicht die Ortsgruppe
des Kulturbundes in der Freiheit wichtige Ereignisse." [4, S. 35]
In die folgend dargestellten Programme für den Festablauf [2, S. 3] und den Aufstellplan für den Festumzug [4] werden die überlieferten Bilder vom Heimatfest an passenden Stellen eingefügt.
Freitag, 31. 5. 1957 | |
20.30 Uhr | Fackelumzug und Eröffnung durch den Bürgermeister auf dem Schulhof. |
22.00 Uhr | Jugend spielt und tanzt — Feuerstoß — Sportplatz |
Sonnabend, 1. 6. 1957 | Im Rahmen des "Internationalen Kindertages" |
13.30 Uhr | Antreten zum Kinderfestumzug — Schulhof |
14.00 Uhr | Trachtenumzug der Kinder |
15.00 Uhr | Festansprache des Direktors der Schule. Anschl. Kinderbelustigungen im Parkgelände des Kindergartens und auf dem Dorfplatz — Karussell u. a. m. |
19.00 – 1.00 Uhr | Tanz im HO–Zelt auf dem Dorfplatz und im "Thüringer Hof". |
Sonntag, 2. 6. 1957 | |
6.00 Uhr | Weckruf mit Musik |
Foto: F. Erben | |
9.00 Uhr | Frühschoppen im HO-Zelt auf dem Dorfplatz und im Garten der Konsum–Gaststätte (Volkshaus) |
10.30 Uhr | Lebendes Schachspiel im Kühlen Grund |
Foto: G. Volk | |
11.15 Uhr | Boxkampf — Freundschaftsspiel der Sandersdorfer Boxstaffel a. d. Diele Dorfplatz — HO–Zelt |
12.30 Uhr | Antreten zum historischen Trachtenumzug aller Organisationen und Einwohner von Sandersdorf, unter Mitwirkung der Nachbargemeinden von Heideloh, Zscherndorf und Ramsin |
13.00–15.00 Uhr | Umzug durch den Ort und die Siedlung |
15.30 Uhr | Fußballspiel |
16.30 Uhr | Sängertreffen im Kühlen Grund |
19.00–1.00 Uhr | Tanz im HO–Zelt, Dorfplatz und "Thüringer Hof" sowie Belustigungen aller Art auf dem Dorfplatz |
Montag, 3. 6. 1957 | |
15.00 Uhr | Veranstaltungen für unsere Rentner im "Thüringer Hof" (auch ohne Plakette für Rentner) |
ab 20.00 Uhr | Tanz im "Thüringer Hof" und Auslosung der großen Tombola |
Bemerkung:
"Die Teilnahme an allen Veranstaltungen (außer Sport) ist nur mit der Plakette
möglich. Lose für die Tombola bereits im. Vorverkauf (bei den bekannt gemachten
Stellen).
Wir bitten die Bevölkerung, anläßlich unserer 800–Jahr–Feier ihre
Häuser und Straßen zu schmücken und durch rege Teilnahme ihre Verbundenheit mit
ihrem Heimatort zu zeigen.
Am 3. 6. 1957, gegen 22.30 Uhr, wird ein großes Feuerwerk an der Grube Richard
abgebrannt.
Auf dem Dorfplatz ist eine große Festwiese aufgebaut. Ein Bierzelt, eine
Freitanzdiele und vieles andere mehr bieten unseren Besuchern Freude und
Abwechslung. Für Fahrräder und Motorräder ist der Schulhof der
Geschwister–Scholl–Schule vorgesehen. Hier werden dieselben gegen
eine Gebühr bewacht."
Historischer Teil: 1.) 2 Herolde zu Pferd |
Foto: F. Erben |
2.) Festkomitee |
Foto: F. Erben |
3.) Wagen mit Gemeindewappen |
Foto: G. Volk |
4.) Musikzug |
Foto: F. Erben |
5.) Fränkisches Bauernehepaar |
Foto: F. Erben |
6.) Mönch mit Aktenrolle |
Foto: F. Erben |
7.) 3 Hussiten mit Pechfackel 8.) Salzwagen 9.) Scharfrichter, 2 Folterknechte, 1 Gefesselter |
Foto: F. Erben |
10.) Kurfürst mit Gattin (Meißen) |
Foto: F. Erben |
11.) Schweden mit Anführer |
Foto: F. Erben |
12.) Schäfer mit 2 Hunden 15.) 5 Preußen und 5 Württemberger (Soldaten) 14.) Kosakenwagen |
Foto: F. Erben |
15.) Schulkinder |
Foto: G. Volk |
Foto: F. Erben |
16.) Zigeunerwagen |
Foto: F. Erben |
17.) Kulturarbeiter mit Forstaufseher |
Foto: F. Erben |
18.) Postkutsche |
Foto: Kulturbund |
19.) Hochräder (Veloziped) |
Foto: F. Erben |
20.) Spinnstube (Wagen) |
Foto: F. Erben |
21.) Die alte Feuerwehr (Wagen) |
Foto: F. Erben |
22.) Musikzug |
Beginn der Neuzeit: 23.) 10 Handwerkerwagen: Maurer Schornsteinfeger |
Foto: F. Erben |
Maler Tischler Friseure |
Foto: F. Erben |
Schneider |
Foto: F. Erben |
Bäcker |
Foto: F. Erben |
Fleischer Schlosser Schuhmacher 24.) Abordnung der JP 25.) Abordnung der FDJ 26.) Wagen (Werk Fahlke) 27.) Tanzgruppe EKB 28.) Wagen (Kleingärtner) 29.) Sängersparte 30.) Wagen (Siedler) |
Foto: F. Erben |
31.) BSG – insgesamt 32.) Wagen (Biberzüchter) 33.) Sportgruppe Schule |
Foto: F. Erben |
34.) Radfahrer 35.) Wagen – Kindergarten |
Foto: F. Erben |
36.) HO–Vertretung 37.) Konsumvertretung 38.) Wagen — Geflügelzüchter 39.) Anglersparte 40.) Tanzgruppe II 41.) Wagen — Verwertungsgruppe 42.) Hundezüchter 45.) Wagen — SED–Wahlvorbereitung 44.) Volkspolizei |
Einnahmen und Ausgaben Einnahmen: DM 8.726,05 Ausgaben: " 7.830.98 -------------- Überschuss: DM 895,07 Ausgaben im Einzelnen (Auszug): Kostüme DM 520,00 Schachkostüme " 396,00 Tombola " 525,41 Lose " 60,00 Bier " 28,80 Plaketten aus Meißen " 1984,35 Awa-Lizenzgebühr " 150,00 Werkskapelle Freiheit " 2662,00 Dewag-Werbung " 108,00 Feuerwerk " 800,00 Gottlöber - Fahrten " 150,00 Turnhosenstoff " 10,80 Festzeitschrift " 419,04 Funkdurchsage " 20,00 Zeitung "Freiheit" " 108,00 Tombolapreise: 502 Stück darunter ein Fahrrad
"Daß im Mai die 800 Jahrfeier unseres Ortes stattfinden konnte und so großartig durchgeführt wurde, war dem unermüdlichen Bemühen des Schuldirektors Siegfried Kittler und Paul Blaschke zu danken. Der Kulturbund hat wesentlich zum Gelingen des Heimatfestes beigetragen." [4, S.37]
Volkskorrespondent Georg Leykauf berichtet über den Ablauf des Heimatfestes in der Tageszeitung "Freiheit" [5].
(VK) "Sandersdorf beging vor einigen Tagen seine 800–Jahr–Feier. Der Festausschuß, unter Anleitung des Schuldirektors Kittler, hat seit Monaten mit großem Eifer gearbeitet, um das Fest zu einem großen Erfolg zu bringen. Nachdem am l. Juni der Tag des Kindes einen guten Verlauf nahm, war der Sonntag ein Höhepunkt dieser Feier. Mittags 13.00 Uhr setzte sich der historische Umzug, angeführt von zwei Herolden mit Lanzen und Wappen hoch zu Roß, in Bewegung und nahm seinen Weg zuerst durch die Siedlung und dann durch den Ort. Die Musikkapelle vom Werk Freiheit, der Fanfarenzug der FDJ (VEB Filmfabrik AGFA Wolfen) und die Kapelle Sonneck sorgten für frohe Feststimmung. Es folgten in Abständen Wagen, die Sandersdorf im Wandel der Zeiten zeigten. Originell war der Wagen vom DFD mit der alten Spinnstube. Großes Gelächter gab es um den alten Dorfschullehrer mit seinem Schlitzfrack. Auf dem Sportplatz wurden Dressuren von Schäferhunden gezeigt. Zum Abschluß sahen wir noch ein Fußballspiel. Auf dem Dorfplatz fanden Belustigungen für jung und alt statt. An den Schießständen konnten Blumen geschossen werden."
"Es gab aber auch Mängel. Das Bierzelt konnte den Andrang der Durstigen nicht bewältigen und erwies sich als zu klein. Noch schlimmer war es am Stand der Rostbratwürste. Trotz schneller Bedienung wurde die Riesenschlange nicht kleiner. Zahlreiche Gäste bekamen nichts. Hier hat die HO wieder einmal schlecht geplant. Natürlich kamen auch die Tanzlustigen nicht zu kurz. Auf zwei Freilichttanzdielen und im Saal des "Thüringer Hof" schwang man bei flotter Musik das Tanzbein. Mit einem großen Brillantfeuerwerk fand die 800–Jahr–Feier ihr Ende."
Die in die Festschriften [1] und [2] aufgenommenen Anzeigen vermitteln einen Einblick in die zu jener Zeit tätigen Einzelhandelsgeschäfte, Handwerksbetriebe und Gaststätten in Sandersdorf.
[1] | Festschrift zum Volks– und Heimatfest Sandersdorf 1939. Text und Anzeigen: Gustav Krug, Sandersdorf. Druck: Wilh. Lauffs, Holzweißig |
[2] | Festschrift zur 800–Jahrfeier der Gemeinde Sandersdorf 1957. Umschlaggestaltung und Anzeigenwerbung DEWAG, Halle. Druck: Volksdruckerei "Otto Schmidt", Bitterfeld |
[3] | Krug, Gustav: Chronik von Sandersdorf (Kr. Bitterfeld), Druck von Wilhelm Lauffs, Holzweissig–Bitterfeld, 1929 |
[4] | Chronik der Ortsgruppe Sandersdorf des Deutschen Kulturbundes 1946 – 1959. |
[5] | "Freiheit", Organ der Bezirksleitung Halle der SED, Juni 1957 |
Letzte Änderung: 07. Dezember 2007
Zurück zum Inhaltsverzeichnis