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Historisches aus der Gemeinde Sandersdorf

Johann Gottfried Schnabel

Klaus Peter Synnatzschke

Bei dem Buchhändler und Verleger Johann Heinrich Groß erscheint in Nordhausen 1731 das Buch "Wunderliche Fata einiger Seefahrer, ... " unter dem Pseudonym "Gisander".

Fortsetzungsbände erscheinen 1732, 1736 und 1743, die zusammen mit dem ersten Band bis etwa 1780 wiederholt vom gleichen Verlag aufgelegt werden. Dieser unter dem späteren Kurztitel "Die Insel Felsenburg" bekannte Roman wird zum Bestseller in dieser Zeit der Aufklärung in Deutschland.

Die Insel Felsenburg, eine der besten deutschen Robinsonaden, vermittelt nicht nur die üblichen Abenteuergeschichten, sondern entwickelt die Utopie einer patriarchalischen Gesellschaft, in der die Menschen glücklich in einem sozialen Paradies leben. In den ergreifenden Lebensberichten der Schiffbrüchigen wird Kritik an den Mechanismen der feudalen Ständegesellschaft des 18. Jahrhunderts offen gelegt. Im 18. und 19. Jahrhundert gehört das begehrte Buch "Die Insel Felsenburg" auch zur Jugendlektüre von Johann Wolfgang von Goethe, Johann Heinrich Voß, Karl Philipp Moritz, Ludwig Tieck, Achim von Arnim, Clemens Brentano, u. a..

Erst 1812 wird in Erfahrung gebracht, dass der Verfasser des Romans "Die Insel Felsenburg" ein Kammersekretär Schnabel in Stolberg am Harz gewesen ist. Nach weiteren Jahrzehnten werden 1891 Schnabels Geburtsjahr und Geburtsort im Kirchenbuch der evangelischen Kirche Sandersdorf ( http://www.kirche–sandersdorf.de/) gefunden, später auch einige Vorfahren.

  Eltern
Großeltern
Urgroßeltern
      Johann Schnabel
Bürger und Handelsmann in Halle/Saale
† 1654
    Georg Schnabel
ab 1667 Pfarrer in Altjeßnitz
† 12.05.1704 in Altjeßnitz
 
  Johann Georg Schnabel
*12.08.1668 in Altjeßnitz
ab 1691 Pfarrer in Sandersdorf
† 17.06.1694 in Sandersdorf
   
Johann Gottfried Schnabel
*07.11.1692 in Sandersdorf
     
      Karl Hammer
ab 1637 Diakonus in Bitterfeld
    Gottfried Hammer
Pfarrer in Sandersdorf
† 1691 in Sandersdorf
 
  Hedwig Sophie Schnabel
(geb. Hammer)
† 17.04.1694 in Sandersdorf
   

Aus dem Leben von Johann Gottfried Schnabel ist bisher nur wenig bekannt.

07.11.1692
Johann Gottfried Schnabel wird im Pfarrhaus in Sandersdorf bei Bitterfeld geboren.
Vor seinem zweiten Lebensjahr wird er Vollwaise.
Eine fundierte Schulausbildung erhält er an der Latina der Frankeschen Stiftungen in Halle, wo er am
09.01.1702
als "auswärtiger Schüler" aufgenommen wird.
Zu Johann Gottfried Schnabel gibt es an den Frankeschen Stiftungen zu Halle bisher nur diesen folgenden Eintrag in der Tabelle aller auswärtigen Zöglinge, welche im Gymnasium gegenwärtig Unterricht erhalten – Blatt 122, Zeile 27. [4].





Hiernach ist sein Ausscheiden zeitlich nicht bekannt.

In den Jahren
1707 bis 1709
wird er eine dreijährige Balbier– und Wundarztausbildung absolviert haben. Die sich nach der Ausbildung anschließende 7jährige Gesellenzeit leistet er als Feldscher ab. Etwa
1710/12
ist er an den Belagerungen in Brabant im Spanischen Erbfolgekrieg bei Prinz Eugen als Feldscher beteiligt. Nach dieser Zeit lässt er sich
1719   
in Querfurt nieder und wird dort als Meister der Mitgründer einer Balbier– und Wundarzt–Innung.
1721   
heiratet er hier die Tochter eines Gasthofbesitzers, Ratsherrn und Kirchenvorstehers. Zu diesem Zeitpunkt ist er bereits Hof–Chirurgus in Querfurt.
Ab 1724   
lebt er in Stolberg am Harz und es beginnt seine produktivste Zeit. Er verfasst die vier Bände der Wunderlichen Fata, eine Prinz–Eugen–Biographie, den moralisierenden erotischen Roman "Der im Irrgarten der Liebe herumtaumelnde Kavalier" und ist Herausgeber der Zeitung "Stolberg–ische Sammlung Neuer und Merckwürdiger Welt–Geschichte". Schnabel versteht sich weniger als literarischer denn als historiografischer Schriftsteller. Im Dienst des Stolberger Grafen Christoph Friedrich, der als Schnabels Gönner und Förderer anzusehen ist, werden für seine herausgehobene soziale Stellung Titel wie "Hof– und Stadtchirurgus", "Hofbalbier", "Hofagent" und "Gräfl. Kammerdiener" genannt. Das reicht aber nicht zu einer gesicherten bürgerlichen Existenz, ebenso wenig können seine Buch– und Zeitungsproduktion, sein Kommissionsbuchhandel und seine gelegentlichen Geschäfte als Lotterieeinnehmer dazu beitragen.
1733   
stirbt seine Frau. Bis zum Jahre
1744   
verbleibt er in Stolberg, danach verliert sich sein weiterer Lebensweg. Unbekannt ist weiterhin, wann und wo er gestorben ist, wo er begraben liegt. [1]

Der Gepflogenheit der damaligen Zeit folgend lässt auch Schnabel seine Schriften unter einem Pseudonym oder anonym verlegen. Mit hinreichender Sicherheit werden folgende Romane und Schriften zu Schnabels Werk gezählt:

die vier Bände der Wunderlichen Fata (1731 – 1743),

"Der im Irr=Garten der Liebe herumtaumelnde Cavalier" (1738),

Prinz–Eugen–Biografie (1736),

die Zeitung "Stolberg–ische Sammlung Neuer und Merckwürdiger Welt-Geschichte" (1731 bis wahrscheinlich noch 1744).
Weitere pseudonyme und anonyme Werke wie

"Die ungemein schöne und gelehrte Finnländerin Salome" (1748),

"Der Sieg des Glücks und der Liebe über die Melancholie" (1748) und

"Der aus dem Monde gefallene Printz" (1750)

befinden sich im wissenschaftlichen Diskurs, ob sie Schnabel zugeschrieben werden können. [1, S. 121 – 122]

Das evangelische Pfarrhaus, in dem Johann Gottfried Schnabel am 7. November 1692 zur Welt kommt, wird bei einem großen Brand am 19. Oktober 1718 mit 18 Bauerngehöften eingeäschert [6, S. 32]. 1867 erfolgt der Neubau des Schul– und Küsterhauses in Sandersdorf, in gleichen der Abriss des alten und des Baus eines neuen Pfarrhauses [7].

Evangelisches Pfarrhaus, Kirchplatz 2, 06792 Sandersdorf
Evangelisches Pfarrhaus in Sandersdorf mit der Gedenktafel für Johann Gottfried Schnabel aus dem Jahr 1955

Anlässlich des 300. Geburtstages von Johann Gottfried Schnabel findet in Stolberg (Harz) am 07.11.1992 eine öffentliche Gedenkveranstaltung statt, auch im evangelischen Pfarrhaus in Sandersdorf treffen sich einige an Literatur und Geschichte Interessierte. In der im Blauen Saal des Stolberger Schlosses stattfindenden Festveranstaltung ist eine Gruppe von Personen versammelt, die sich schon seit Langem um das Erbe Schnabels bemüht und hier den geeigneten Anlass sieht, eine JOHANN–GOTTFRIED–SCHNABEL–GESELLSCHAFT e. V. ins Leben zu rufen.

Wohnhaus Am Schlossberg 5 in Stolberg (Harz) im November 2008

Diese Gesellschaft unterstützt die Forschung zur deutschen Literatur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, insbesondere zu Leben und Werk des Johann Gottfried Schnabel. Seit 1993 findet jährlich eine internationale Tagung statt und seit 1995 erscheint die Schriftenreihe «SCHNABELIANA». Literaturwissenschaftler aus vielen Ländern finden hier eine Plattform ihre Rezeptionen, Interpretationen und Bewertungen zu Schnabels Werken zu verbreiten — Schnabel wird berühmt.

Veranstaltungen zur Erinnerung an Johann Gottfried Schnabel in Sandersdorf

Einladung [5]:

Wir erlauben uns, Sie zu einer am Sonntag, dem 6. November 1955. um 10 Uhr in der Aula der
August–Bebel–Schule in Sandersdorf stattfindenden

F E I E R S T U N D E

und anschließender Enthüllung einer Gedenktafel für den am 7. November 1692 geborenen Dichter der »Insel Felsenburg«

JOHANN  GOTTFRIED  SCHNABEL

ergebenst einzuladen.

Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands – Ortsgruppe Sandersdorf
gez. Blaschke, Vorsitzender

PROGRAMMFOLGE
1. Finale aus der Sinfonie Nr. 5
(Collegium musicum des Kulturbundes Sandersdorf)
Josef Haydn
2. Füllt mit Schalle
(Chor des Kulturbundes Zörbig)
Carus–Gluck
3. BegrüßungBf. Wolfg. Dähnhardt, Berlin
4. Festansprache
Nationalpreisträger Professor Dr. Hans Mayer, Leipzig
5. Menuetto a. d. D–Dur–Divertimento
(Collegium musicum des Kulturbundes Sandersdorf)
W. A. Mozart
Anschließend Enthüllung der Gedenktafel am Pfarrhause
Brüder reicht die Hand zum Bunde
(Chor des Kulturbundes Zörbig)
W. A. Mozart

Am 07.11.1955 wird am heutigen evangelischen Pfarrhaus in Sandersdorf eine Gedenktafel angebracht. Der Literaturwissenschaftler Hans Mayer (*19.03.1907 † 19.05.2001), zu dieser Zeit Professor für Kultursoziologie und Geschichte der Nationalliteraturen an der Universität Leipzig, hält anlässlich der feierlichen Enthüllung der Gedenktafel in der Schulaula eine leidenschaftliche Festrede. [2]

Hans Mayer erinnert auch mit dem Aufsatz "Johann Gottfried Schnabels Romane" in seinem Buch "Studien zur deutschen Literaturgeschichte" (Berlin 1954) und in seinen Vorlesungen im Osten Deutschlands nach dem II. Weltkrieg wieder an Schnabel [1, S.114].

An dem im Jahr 1876 erbauten evangelischen Pfarrhaus wird am 7. November 1955 die Schnabel–Gedenktafel feierlich enthüllt. Die folgenden Bilder belegen es [5].

[5] Foto: F. Erben
[5] Foto: F. Erben
[5] Foto: F. Erben
[5] Foto: F. Erben
[5] Foto: F. Erben

Die Chronik des Kulturbundes [5, S. 29 – 31] enthält aus einem nicht näher bezeichneten Protokoll eine Abschrift über die Gedenkfeier für den Dichter Johann Gottfried Schnabel am 6. November 1955 in der Schulaula, die hier auszugsweise wiedergegeben wird.

"Etwa 150 Gäste waren erschienen, um an dieser seltenen Feier teilzunehmen. Der Vorsitzende, Bf. Blaschke, konnte den Nationalpreisträger, Professor Dr. Hans Mayer aus Leipzig, der den Festvortrag übernommen hatte, ferner den früheren Kreisvorsitzenden des Kulturbundes, Diplom–Handelslehrer Dähnhardt, Berlin, die Kulturbundvorsitzende aus Stolberg am Harz, den Bezirkssekretär Dr. Kirsch aus Halle und viele Bundesfreunde aus Sandersdorf, Bitterfeld und Zörbig und unseren Nachbarorten begrüßen. Bf. Dähnhardt hat sich in hervorragender Weise um das Zustandekommen dieser Dichterehrung verdient gemacht. Das Hauptverdienst ist natürlich unserem Vorsitzenden, Bf. Blaschke, zuzusprechen. Nur seinem unermüdlichen Bemühen ist es zu danken, daß das Andenken an unseren Heimatdichter der Vergessenheit entrissen wurde." . . . [5, S. 29 – 30]
"Sein Dichter–Pseudonym war "Gisander"; es war notwendig, daß er als Schriftsteller unerkannt blieb. Man fahndete nach ihm, weil er in seinen schriftstellerischen Arbeiten sich auflehnte gegen Ausbeutung und Unterdrückung der Tagelöhner, Leibeigenen, Bürger und Bauern durch die herrschenden "höheren" Stände." . . .[5, S. 30]
. . . "Sein Werk war damals ein Wunschtraum, der heute in unserer DDR Wirklichkeit geworden ist. Goethe hat in seiner Jugendzeit diesen Roman gern gelesen. Er sagte später von ihm: "Ein Märchenland, in dem es weder Unterdrücker noch Unterdrückte, sondern nur freie Menschen gab." " [5, S. 30]
"Anschließend an diese Feier führte Bf. Blaschke die Gäste an das hiesige Pfarrhaus. Durch eine kurze Ansprache enthüllte und weihte Bf. Dähnhardt die am Pfarrhaus angebrachte Gedenktafel. Der Ortspfarrer, Pastor Muster, gab seiner Freude Ausdruck für diesen Akt dankbaren Gedenkens und wies darauf hin, daß dieses Pfarrhaus immer eine Stätte der Kultur und des Fortschritts war und ist und hoffentlich bis in ferne Zukunft bleiben wird." . . . [5. S. 31]

Der Zörbiger Volkschor umrahmte mit Liedern diese schöne Feier.

Inschrift der Gedenktafel:

Der Dichter der "Insel Felsenburg"
Johann Gottfried Schnabel
wurde hier am 7. November 1692 geboren

Hans Bierfreund, Lehrer von 1932 – 1957 an der Schule in Sandersdorf, schreibt im Auftrag der Ortsgruppe des Kulturbundes 1964 einen » Bericht über das Leben des Dichters Joh. Gottfried Schnabel und sein Hauptwerk «.
Dieser wird im Januar 1965 in einer kleinen Broschüre (Format A5, 32 Seiten, geheftet) herausgegeben. Das Heft wird an Interessenten kostenlos abgegeben.

H. Bierfreund: Bericht über das Leben des Dichters Joh. Gottfried Schnabel und sein Hauptwerk

Am 7. November 1992, anlässlich des 300. Geburtstages des Dichters, findet um 16.30 Uhr im Gemeindehaus der evangelischen Kirche Sandersdorf eine Feierstunde statt [9].

Einladung
mit dem folgenden Programmablauf:
1. Begrüßung durch den Pfarrer der evangelischen Kirche, Herrn Neugebauer
2. Kleine Kammermusik
3. Grußwort durch den Bürgermeister Herrn Thiel
4. Gesang – Volkschor Sandersdorf –
5. Einblicke in die Biographie und Werke des Dichters Johann Gottfried Schnabel vermittelt durch Herrn Herbst, Bitterfeld.
6. Gesang – Volkschor Sandersdorf –

Die Sekundarschule Sandersdorf gestaltet vom 03. bis 07. November 1997 eine Festwoche, ehrt den 305. Geburtstag des Dichters Johann Gottfried Schnabel und blickt selbst auf ihr 110–jähriges Bestehen zurück. Aus diesem Anlass erhält sie den Namen Sekundarschule "GISANDER" [8].

Festveranstaltung
Programmablauf zur Namensgebung "Gisander"
1. Echochor nach Orlando di LassoErwachsenenchor Zscherndorf
2. Singspiel von Hanns Schmidt Schüler der Kl.7a und des Wpk
Fachlehrerin für Musik Musik, am Klavier Frau Weinert
3. Biographie von J. G. Schnabel (l .Teil)Schüler der Kl. 8A
4. Große Tocatta in e–Moll von J. S. Bach René Mangliers – Schüler der
Spezialschule für Musik
Schulpforta
5. Biographie von J. G. Schnabel (2.Teil)Schüler der Kl. 8A
6. Cembalosuite Nr.14 in G–Dur von G. F. Händel René Mangliers – Schüler der
Spezialschule für Musik
Schulpforta
7. Gedicht aus "Die Insel Felsenburg"Schüler der Kl. 6D
8. Festansprache und Namensverleihung Prof. Dr. Dietrich Grohnert
Erfurt
9. Lied zur "Insel Felsenburg" Erwachsenenchor Zscherndorf
Vertonung und Satz
Frau Weinert
Fachlehrerin für Musik
10. Stammesgeschichte zur "Insel Felsenburg" Schüler der Kl. 6D
11. Menuett aus der Tafelmusik
von G. Ph. Telemann
Eva Rehfeld, Nicole Forstner,
Juliane Kuckling, Manuel Klysch,
Marcel Schindler, Martin Böttcher
Rock–Version zum Menuett
von H. Reszel
Annett Kruse, Eileen Fiala,
Nicole Sobotta
12. Weit der Weg, der nach Bethlehem geht
Text und Melodie aus Spanien
Textübertragung von R. Hoge
Erwachsenenchor Zscherndorf
und Schüler der Kl. 10d
an der Kleinen Trommel
Marcel Lehmann / Tino Weinert

Die Aktivitäten und Veranstaltungen der Sekundarschule Sandersdorf anlässlich ihrer Namensgebung wurden in Zusammenarbeit mit der Johann–Gottfried–Schnabel–Gesellschaft e. V. gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften e.V. aus Mittel des Bundesministeriums des Innern. [8]

Prof. Megumu Inamoto

war bis zu seinem 70. Lebensjahr im Jahr 2003 Professor an der Universität Fukuoka in Japan und er ist einer der bedeutendsten Literaturwissenschaftler und Germanisten in Japan. Er publizierte eine Reihe von Aufsätzen über Johann Gottfried Schnabel in Japan.

Bei seinem Ausflug nach Sandersdorf am 24. Februar 2002 traf ich mit ihm zusammen.

Meine Begegnung mit Prof. Megumu Inamoto in Sandersdorf war zufällig und sehr kurz.

Auf meinem Spaziergang am Sonntag, dem 24.02.2002, bemerke ich vormittags an der am Bahnhof vorbeiführenden Straße einen älteren Herrn. Ich habe von ihm den Eindruck, dass er von weither gereist ist und nicht abgeholt wird. Ich spreche ihn an. Er warte auf ein Taxi. Ich gebe ihm zu verstehen, wenn für ihn das Taxi nicht bestellt wurde, fährt zu diesem Bahnhof kein Taxi. Er erklärt mir, dass er aus Halle von einer Tagung zu Johann Gottfried Schnabels Werk "Insel Felsenburg" kommt und hier Schnabels Geburtshaus sehen möchte. In einer knappen Stunde muss er von hier wieder abfahren. Er stimmt meiner Anregung zu, den Weg bis zur Schnabel–Gedenktafel am evangelischen Pfarrhaus gemeinsam zu Fuß zu gehen. Vor wenigen Tagen, am 20.02.2002, hatte ich einen Aufsatz von Wolfgang Knape über die bevorstehende Internationale Tagung in den Franckeschen Stiftungen "Das Werk Johann Gottfried Schnabels und die Romane und Diskurse des frühen achtzehnten Jahrhunderts" gelesen. Das gibt mir nun das Gefühl, für diese Begegnung ein wenig informiert zu sein. Prof. Megumu Inamoto erzählt mir, dass er in Japan an der Fukuoka–Universität deutsche Literatur lehrt, und er sich besonders für Johann Gottfried Schnabel und seine "Insel Felsenburg" interessiert. Ich übernehme die Beförderung seines rollbaren Koffers. Bei angeregter Unterhaltung laufen wir durch die Bahnhofstraße. Prof. Megumu Inamoto stellt viele Fragen, insbesondere interessiert ihn die Beziehung der Sandersdorfer zum Dichter Schnabel. Nach kurzer Strecke in der Poststraße betreten wir über einen Treppenaufgang den alten Friedhof, laufen vorbei an der über 800–jährigen Kirche, aus der vom gerade stattfindenden Gottesdienst Gesang und Orgelmusik nach außen dringen. Den Friedhof verlasssen wir in Richtung Kirchplatz und stehen schließlich vor der Gedenktafel am Pfarrhaus. Prof. Megumu Inamoto ist sichtlich gerührt vom erreichten Ziel. Er fotografiert viel, gibt mir ab und zu seine Kamera, um auch selbst ins Bild zu kommen. Die veranschlagte Zeit für den Aufenthalt läuft ab. Wir gehen auf dem kürzesten Weg wieder zum Bahnhof. Der Weg vorbei an der Sekundarschule "Gisander" erscheint mir zeitlich riskant. Außer Atem am Bahnhof angekommen fragt Prof. Megumu Inamoto nach der Schule "Gisander". Er hat sich also gut auf den Besuch in Sandersdorf vorbereitet.

Nach letzten Fotos am Bahnhof und herzlicher Verabschiedung besteigt er den Zug nach Bitterfeld.

Seine Visitenkarte habe ich aufbewahrt. Später sandte ich ihm Bilder von der Kirche und der Sekundarschule "Gisander" im Anhang einer E-Mail.

Sekundarschule "GISANDER" in Sandersdorf im Jahr 2002

Die Sekundarschule "Gisander" wird am 31. Juli 2006 geschlossen, der Schulstandort aufgegeben. Die Schüler aus Sandersdorf und die Mehrheit der Lehrer wechseln an die Comeniusschule in Bitterfeld. Das Gebäude der ehemaligen Sekundarschule wird von 2006 – 2007 grundlegend erneuert und innen zu einem Pflegeheim gestaltet. Am 1. Dezember 2007 wird das Senioren–Service–Zentrum, das den Namen "Gisander" übernimmt, mit insgesamt 66 Plätzen in 6 Wohnbereichen feierlich eingeweiht.

Die 16. Landesliteraturtage verlaufen vom 14. bis 17. November 2007 unter dem Motto "Folgelandschaften — Literaturpfade in der Region Bitterfeld". Außer den 80 Lesungen von Autorinnen und Autoren an ausgewählten Orten im Landkreis Anhalt–Bitterfeld wird zur Eröffnung im Kulturhaus Wolfen die Kinderoper "Abenteuer Felsenburg", gestaltet nach Motiven von Johann Gottfried Schnabel durch Schülerinnen und Schüler der Kreismusikschule Bitterfeld, aufgeführt.
Die Johann–Gottfried–Schnabel–Gesellschaft e. V. veranstaltet am 17. November 2007 im Gemeindezentrum "Paul Othma" mit Vortrag und szenischer Lesung aus der Literaturgeschichte eine unterhaltsame Stunde. Hartmut Fischer berichtet über den Schriftsteller Arno Schmidt, Gerd Schubert über Johann Gottfried Schnabel und Michael Meinert liest aus Arno Schmidts Werk auserlesene Inhalte, die das Leben von Johann Gottfried Schnabel berühren.

(v. l.) Hartmut Fischer (Northeim), Gerd Schubert (Berlin) und Michael Meinert (Hannover) anlässlich der Literaturpfadlesung am 17. November 2007 im Gemeindezentrum Sandersdorf
Quellenverzeichnis:
[1] G. Schubert: Johann Gottfried Schnabel, Bitterfelder Heimatblätter, Heft XVII, 1994/95, S. 109–135
[2] Ortsgeschichte von Sandersdorf, Bitterfelder Umweltbibliothek e. V., unveröffentlichte Niederschrift, 2001.
[3] Johann Gottfried Schnabel * 7. November 1692. Dokumentation zur Ehrung zum 300. Geburtstag des Verfassers der Insel Felsenburg im Stolberger Schloß am 7. November 1992 und zur Gründung der JOHANN–GOTTFRIED–SCHNABEL–GESELLSCHAFT. Herausgegeben von der JOHANN GOTTFRIED-SCHNABEL-GESELLSCHAFT Stolberg/Harz, 1993.
[4] Matrikeleintrag, Franckesche Stiftungen zu Halle, Archiv.
[5] Chronik der Ortsgruppe Sandersdorf des Deutschen Kulturbundes 1946 – 1959.
[6] Krug, Gustav: Chronik von Sandersdorf (Kr. Bitterfeld), Druck von Wilhelm Lauffs, Holzweissig–Bitterfeld, 1929
[7] LHASA, Abt. MER, Rep. C41 Bitterfeld IV 98
[8] Akten der Sekundarschule "Gisander", chronik_1997–98_98–99. Gemeindearchiv Sandersdorf
[9] Sandersdorfer Rück–Um–Vor–Schau, Amtliches Mitteilungsblatt der Gemeinde Sandersdorf, Jahrgang 1, 30.10.1992, Nr.7
[10] H. Bierfreund: Bericht über das Leben des Dichters Joh. Gottfried Schnabel und sein Hauptwerk, Riestedt, Januar 1965
Bilder: Evangelisches Pfarrhaus in Sandersdorf, Wohnhaus Am Schlossberg in Stolberg, Sekundarschule "GISANDER" in Sandersdorf und Literaturpfadlesung am 17. November 2007 im Gemeindezentrum sind Fotos des Autors.
Die Fotos von der Enthüllung der Schnabel–Gedenktafel am evangelischen Pfarrhaus am 6. November 1955 sind von F. Erben [5].

Glossar

Aufklärung   
Epocheprägende geistesgeschichtliche Bewegung des 18. Jahrhunderts, die allein mithilfe der Vernunft die Grundlagen einer diesseitig eingestellten Kultur zu schaffen sucht. Im Mittelalter waren die Menschen standesbestimmt. Die Aufklärung setzt voraus, dass jeder Mensch der Anlage nach gleichermaßen befähigt ist, selbstständig zu urteilen und zu handeln.
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Fata   
Das Fatum <lat>, Schicksal, Verhängnis
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Prinz Eugen
Prinz Eugen von Savoyen, *18.10.1663 † 21.04.1736, österreichischer Feldmarschall und Staatsmann.
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JOHANN–GOTTFRIED–SCHNABEL–GESELLSCHAFT e. V.
Neustadt 12
06547 Stolberg/Harz
http://www.schnabel–gesellschaft.de
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Letzte Änderung: 15. November 2008


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